ARD-Chefin bringt kostenpflichtige Apps ins Spiel [Update]
Im Streit um öffentlich-rechtliche Digitalangebote reicht die neue ARD-Vorsitzende Monika Piel den Verlegern die Hand und will den Konflikt damit lösen, dass künftig alle für ihre Apps kassieren – auch die Öffentlich-Rechtlichen. Verlegerverbände springen darauf an und wollen "Taten sehen".
Plötzlich haben sie sich wieder lieb, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Verlegerverbände: Im bisher von beiden Seiten heftig geführten Streit um kostenlose Angebote der Sender im Netz und auf Smartphones bietet die neue ARD-Vorsitzende Monika Piel den Schulterschluss mit den Verlegern an. In verschiedenen Interviews, die Piel zu ihrem Amtsantritt gegeben hat, signalisierte die Chefin des Senderverbunds grundsätzliche Bereitschaft, von der ARD bereitgestellte Anwendungen für Smartphones auch kostenpflichtig zu machen – wenn die Verleger mitziehen.
Die Verlage lassen sich nicht lange bitten, jetzt sollen Fakten geschaffen werden. Piels Worten müssten Taten folgen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Wolfgang Fürstner, der dpa in Berlin. Die Branche klagt seit Jahr und Tag über die gebührenfinanzierte Konkurrenz im Netz und auf Mobilsystemen. Insbesondere setzen die Verleger ihre Hoffnungen auf kostenpflichtige Apps für Smartphones und die boomenden Tablets. Öffentlich-rechtliche Gratis-Angebote – wie die kürzlich vorgestellte und heftig diskutierte, nichtsdestotrotz aber durchaus gelungene Tagesschau-App – können da nur stören.
Piels Lösungsvorschlag für diesen Konflikt ist nun, dass sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatwirtschaftliche Marktteilnehmer ihre Apps verkaufen. "Wenn die Verleger sich zu einer gemeinsamen Strategie aufraffen und alle Apps kostenpflichtig anbieten, dann würde ich mich in der ARD dafür einsetzen, dass wir mitziehen", sagte Piel der dpa. Anders könne sie den Gebührenzahlern nicht erklären, warum sie für eine "Tagesschau"-App oder "Sportschau"-App zahlen müssen, anderswo aber nicht.
Wie Piel den Gebührenzahlern erklären will, dass sie für mit ihren Gebühren finanzierte Angebote auf dem Smartphone oder Tablet noch einmal zahlen sollen, verriet die WDR-Intendantin nicht. Die ARD-Chefin muss sich erwartungsgemäß heftige Kritik anhören. Stefan Niggemeier hält Piels Vorschlag schlicht für einen "Skandal". Der Medienblogger und -journalist – eigentlich ein Freund des dualen Mediensystems – mahnt die neue ARD-Vorsitzende, sich auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Sender zu besinnen und nicht der von Medienwirtschaft und Teilen der Politik geforderten Privatisierung der Rundfunkanstalten Vorschub zu leisten.
Die Medienwirtschaft nutzt das "positive Zeichen" (Fürstner) der ARD-Vorsitzenden erwartungsgemäß, um ihrer umstrittenen Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Verleger zu bekräftigen. Angesichts des schrumpfenden Printmarkts seien die Verlage darauf angewiesen, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen, vor allem im mobilen Internet, sagte Fürstner. Der Ruf der Verleger nach einem Leistungsschutzrecht folgt dabei einem allgemeinen Trend: Zur Absicherung ihrer bröckelnden Geschäftsmodelle – auch gegen neue Angstgegner wie Google oder Apple – fordern Inhalteanbieter eine Verschärfung des Urheberrechts.
Abgesehen von den grundsätzlichen Problemen, der sich die Branche im digitalen Zeitalter stellen muss, hat der Verlegerverband auch Positives zu vermelden. Für 2011 erwartet die Branche ein leichtes Umsatzwachstum um 1,1 Prozent auf rund 7 Milliarden Euro. Ziel sei, wieder das Niveau von 2008 mit 7,7 Milliarden Euro zu erreichen. Nach zwei Jahren mit Arbeitsplatzverlusten rechnet der Verband für 2011 mit einem Anstieg der Mitarbeiterzahl in den Zeitschriftenverlagen um 1,2 Prozent auf 32.700. Das Online- und Mobilgeschäft wird laut VDZ in den kommenden Jahren weiter steigen und soll 2013 einen Umsatzanteil von 12 Prozent erreichen – gegenüber 6 Prozent im Jahr 2009. Erlöse aus Anzeigen und Vertrieb blieben aber mit einem Anteil von rund 80 Prozent bei weitem die Haupteinnahmequelle der Zeitschriftenverlage.
[Update: Die ARD bemüht sich inzwischen, die Debatte zu entschärfen. Piel sei es auch darum gegangen, Verständnis für die Sorgen der Verleger zu zeigen, erklärte ein Sprecher: "Die ARD-Vorsitzende wäre falsch verstanden worden, wenn ihre Äußerungen als generelle Absage an kostenlose Apps interpretiert worden wären". Angebote, die vorhandene, bereits über die Rundfunkgebühren bezahlte Internet-Inhalte lediglich "optimieren" – wie etwa die Tagesschau-App –, müssten nach Meinung von Frau Piel selbstverständlich auch weiterhin kostenfrei bleiben. Zu überlegen sei allerdings, die Kosten für eigens zusammengestellte Angebote oder eingekaufte Rechte an die Kunden weiterzugeben.] (vbr)