Beim Abschreiben setzen Studenten ihre Karriere aufs Spiel
"Die Versuchung wird durch die technischen Möglichkeiten immer größer", meint Prof. Roland Schimmel von der Fachhochschule Frankfurt am Main. Die Unis rüsten technisch und in den Prüfungsordnungen immer weiter auf, um Plagiate zu bekämpfen. Oft sei aber auch eine gehörige Portion Dummheit im Spiel, was es den Plagiate-Fahndern einfach mache.
In einer Hausarbeit stecken in der Regel ein paar Wochen Arbeit. Nicht erst seit Bestehen des Internets wird aber oft und gern mit Plagiaten gearbeitet, mit unrechtmäßigen Kopien fremder Herkunft. Manuell, wie in früheren Jahren, ist aber selbst dies manchen noch zu viel Arbeit – es gibt aber eine Methode, die nur ein paar Minuten dauert: googeln, kopieren, einfügen, fertig. Kein Wunder, dass manche Studenten der Verlockung erliegen, Passagen oder ganze Seiten ohne Quellenangabe aus dem Internet zu kopieren. Die Hochschulen kennen bei solchen Plagiaten allerdings schon seit einiger Zeit überhaupt keinen Spaß: Wer erwischt wird, dem droht im Extremfall ein vorzeitiges Ende seiner Studienkarriere.
"Die Versuchung wird durch die technischen Möglichkeiten immer größer", sagt Prof. Roland Schimmel von der Fachhochschule Frankfurt am Main. "Man muss nur den Rechner anschalten und kann sich über Google unzählig viele fertige Texte erschließen." Institutionen und Verbände stellen Studien ins Internet, über Suchmaschinen oder Onlinehändler findet man komplette Bücher in digitaler Form, und bei einigen Portalen kann man sich fertige Diplom- oder Seminararbeiten kaufen. Eine Internetseite wirbt sogar offen mit dem Slogan: "Deine fertige Hausaufgabe gibt's doch schon! Warum also selbst abmühen?"
Verlässliche Untersuchungen darüber, wie häufig Studenten ihre Prüfer mit Plagiaten hinters Licht führen wollen, gibt es zwar nicht. Schimmel findet an seinem Lehrstuhl aber zumindest in einem einstelligen Prozentbereich der abgegebenen Arbeiten heimlich kopierte Passagen. "Mal sind es nur ein paar Absätze, mal wird die Hälfte einer 60-seitigen Arbeit aus dem Internet übernommen." Vielen Studenten fehle dabei jedes Unrechtsbewusstsein, hat Prof. Debora Weber-Wulff der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin beobachtet. "Die laden ihre Musik und ihre Filme aus dem Netz runter und sind dann der Meinung, dass man auch seine Hausarbeit runterladen könne", so die Expertin, die sich auf das Thema Plagiate spezialisiert hat.
"Manchmal fragen Studenten auch: 'Wie viele Wörter muss ich umstellen, damit es kein Plagiat mehr ist?'", erzählt Weber-Wulff. "Die haben gar nicht verstanden, worum es beim wissenschaftlichen Arbeiten überhaupt geht." Das Forschen und Streben nach neuen Erkenntnissen bleibe beim Copy-und-Paste-Verfahren völlig auf der Strecke. Nur in den wenigsten Fällen habe man aber das Gefühl, dass Studenten aus bösem Willen ein Plagiat abliefern. "Oft kommt die Ausrede, dass die Zeit bis zum Abgabetermin knapp geworden ist. Ein Vorsatz steckt in den wenigsten Fällen dahinter – eher ein Desinteresse an den Standards wissenschaftlichen Arbeitens."
Ohnehin sei bei Plagiaten oft eine gehörige Portion Dummheit im Spiel, ist die Erfahrung der Experten: Mitunter kopieren Studenten Werbebanner aus dem Internet gleich mit in ihre Hausarbeit. Andere machen sich nicht die Mühe, Schriftart und -größe des kopierten Abschnitts an das Format des restlichen Textes anzupassen. "Manchmal fragt man sich schon, für wie blöd die uns halten", sagt Prof. Schimmel. "Wenn man einmal einen Anfangsverdacht hat, nimmt man sich die Zeit, um ein Plagiat aufzudecken. Oft ist das gar nicht schwer, denn wenn ein Student einen Text im Internet findet, findet ihn der Prüfer auch."
Außerdem haben die Hochschulen technisch aufgerüstet: Immer häufiger verlangen sie Abschlussarbeiten auch in digitaler Form und schicken dann ein Computerprogramm auf die Suche nach Parallelstellen im Internet. Einige Hochschulen haben als Reaktion auf den Trend zum Abschreiben aus dem Internet auch ihre Prüfungsordnungen deutlich verschärft. Wird einem Student der Kulturwissenschaft an der Universität in Frankfurt/Oder zum ersten Mal ein Plagiat nachgewiesen, gilt die Prüfung als nicht bestanden. Das kann den Betroffenen im Studium um viele Monate zurückwerfen. Wer das zweite Mal erwischt wird, dem droht die Zwangsexmatrikulation, erklärt Janine Nuyken von der dortigen Europa-Universität Viadrina. Danach habe man an keiner deutschen Hochschule mehr die Chance, den begonnenen Studiengang abzuschließen. Die Uni-Karriere ist zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat.
So weit sei es an der Viadrina aber noch nie gekommen, sagt Nuyken. Fällt ein Student zum ersten Mal mit einem Plagiat auf, gebe es eine derart deutliche Verwarnung, dass es bislang niemand auf einen zweiten Täuschungsversuch ankommen ließ. Besonders drastisch können die Konsequenzen werden, wenn ein Plagiat erst einige Zeit nach der Prüfung auffliegt und der Abschluss nachträglich aberkannt wird. "Dann kann der Arbeitgeber sich belogen fühlen und den Arbeitsvertrag anfechten", sagt Schimmel. Im schlimmsten Fall wäre ein Plagiat dann sogar als Betrug zu werten – und das ist eine Straftat. (jk)