Berlins Datenschützer besorgt über private Überwachungskameras
Die Technik macht es möglich. Kleine und billige Kameras lassen sich inzwischen überall kaufen. Privatleute setzen sie immer häufiger ein. Auch wenn das gar nicht überall erlaubt ist.
Die immer größere Verbreitung privater Überwachungskameras in Geschäften, Imbissen, Kneipen, Tankstellen und an Grundstücken ist nach Einschätzung von Berlins oberstem Datenschützer ein ernstes Problem. "Die Technik ist in den letzten Jahren immer billiger und leichter einsetzbar geworden und der Markt wächst, vor allem im privaten Bereich", sagte Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix der dpa. "Der Effekt ist, dass es kaum noch unbeobachtete Stellen gibt." Dabei hätten die Bürger das Recht, "sich im öffentlichen Raum unbeobachtet zu bewegen".
Zu viel Technikgläubigkeit
Ein weiterer Grund für die zunehmende Zahl von Kameras ist laut Dix die Hoffnung auf Schutz vor Kriminalität. "Viele Menschen sind zu technikgläubig und meinen, Kameras könnten Sicherheit produzieren. In Wirklichkeit erhöhen sie nur die Wahrscheinlichkeit, dass Verdächtige hinterher gefasst werden." Der abschreckende Effekt sei "stark überschätzt".
Wie viele kleine Kameraobjektive inzwischen in Berlin Hauseingänge, Tiefgaragen, Spätkauftheken, Pommesbuden oder Vorgärten im Blick haben, sei völlig unklar, sagte Dix, der im Sommer nach zehnjähriger Amtszeit aus Altersgründen ausscheidet. "Da haben wir überhaupt keine Zahlen, auch weil die Kameras nicht meldepflichtig sind." Gleichzeitig gebe es eine zunehmende Zahl von Beschwerden. "Sicher im dreistelligen Bereich pro Jahr, allein zu dieser Frage."
Ignorierte Vorschriften
Viele Kamerabesitzer würden die gesetzlichen Bestimmungen für den Datenschutz nicht kennen oder nicht beachten. Laut den Bestimmungen müsse es einen konkreten Grund für eine Überwachungskamera geben, also einen Übergriff zum Beispiel in der Vergangenheit. Außerdem seien die Besitzer verpflichtet, auf Schildern auf die Kameras hinzuweisen. "Es darf keine heimliche Videoüberwachung geben."
Kürzlich musste die Datenschutzbehörde eine große Moschee an der Wiener Straße in Kreuzberg ermahnen. Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber hatte Dix darauf aufmerksam gemacht, dass an der Fassade der Moschee neun Kameras angebracht waren, zum Teil in großer Höhe und nicht sofort erkennbar.
Nach einigen Gesprächen und Briefen willigte die Moschee ein, den Aufnahmewinkel der Kameras vom Bürgersteig und umliegenden Kneipen fernzuhalten, die Aufnahmen nach spätestens drei Tagen zu löschen und Hinweise auf die Kameras anzubringen.
Dix und Schreiber zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden. "Es geht darum, dass die Regeln eingehalten werden", sagte Dix. "Wenn es Verstöße gibt, sagen wir, da muss was geändert werden oder die muss abgehängt werden und in der Regel geschieht das auch."
Irrweg in die permanente Videoüberwachung
Schreiber betonte, der Datenschutz genieße eine hohe Priorität. "Nicht jede Kamera erfüllt diese Kriterien im öffentlichen Raum. Ohne ein Hinweisschild und ohne die Beachtung der Speicherfristen sind solche Kameras rechtswidrig. Hier muss der Datenschutzbeauftragte einschreiten."
Schwieriger wird es Dix zufolge angesichts weiterer technischer Neuheiten. "Kameras in Autos, sogenannte Dashcams, und Drohnen mit Kameras sind ein erhebliches Problem", sagte er. Die Kameras auf den Armaturenbrettern von Autos halte er für unzulässig, weil andere Autofahrer und Passanten aufgenommen würden, ohne es zu wissen.
Die immer beliebter werdenden Drohnen sollten über ein automatisches elektronisches Signal erkennbar sein. "Außerdem muss man das gesetzlich regeln, ob man die Drohnen über Gärten und Balkone fliegen lassen kann. Das ist ja ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre", sagte Dix. "Es ist wichtig, dass wir nicht in eine Gesellschaft hineingeraten, in der permanente Videoüberwachung zur Infrastruktur gehört." (mho)