Brasilien: Gericht untersucht mögliche Wahlbeeinflussung via WhatsApp

Im Präsidentschaftswahlkampf wirft der linke Kandidat seinem Konkurrenten vor, ihn mit einer Fake-News-Kampagne über WhatsApp zu diskreditieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 23 Kommentare lesen
«WhatsApp»

(Bild: dpa, Jens Kalaene/Illustration)

Lesezeit: 3 Min.

Eine Woche vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien am 28.Oktober hat das oberste Wahlgericht eine Untersuchung eingeleitet, die eine mögliche Wahlbeeinflussung durch massenhafte bezahlte Fehlinformationen im Messaging-Dienst WhatsApp aufklären soll. Der linke Kandidat Fernando Haddad beschuldigt seinen Konkurrenten, den rechtsgerichteten Kongressabgeordneten Jair Bolsonaro, in die Wahlmanipulation über WhatsApp involviert zu sein. Bolsonaro profitiere von Gerüchten, manipulierten Videos und Audioaufzeichnungen sowie Verschwörungstheorien, die Haddad diskreditieren, berichtet Reuters.

Die Falschmeldungen sollen sich rasant über große Nutzergruppen bei WhatsApp verbreiten und lassen sich wegen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht durch den Anbieter überprüfen. WhatsApp soll daher bereits die Zahl beim Weiterleiten einer Nachricht beschränkt haben, um die Ausbreitung einzugrenzen, schreibt Reuters. Außerdem soll das Unternehmen während des Wahlkampfs schon hunderttausende Konten gesperrt haben, deren Verhalten auf einen automatisierten "Bot" dahinter schließen ließ. Zusätzlich habe WhatsApp mit öffentlicher Werbung die Wähler für das Erkennen von Fake News sensibilisieren wollen.

Am Donnerstag berichtete eine brasilianische Zeitung, Bolsonaros Unterstützer hätten mehreren Marketingfirmen jeweils bis zu 3,2 Millionen US-Dollar gezahlt, damit diese Falschinformationen verbreiteten. Präsidentschaftskandidat Haddad sagte, es gebe in seiner Partei Zeugen dafür, dass Bolsonaro Unternehmensführer aufgefordert habe, diese Kampagnen zu unterstützen.

Bolsonaro wies die Anschuldigungen zurück. WhatsApp teilte mit, man nehme die Vorwürfe ernst und leite rechtliche Schritte ein, um Unternehmen am Verbreiten massenhafter Falschinformationen über die Messaging-Plattform zu unterbinden.

Am Freitag eröffnete das oberste Wahlgericht eine Untersuchung der Vorgänge. Die Anhänger Haddads erhoffen sich davon, dass die Stichwahl am 28.10. für ungültig erklärt werden könnte. Eine Beeinflussung der Wähler auf Weisung von Bolsonaro würde gegen das Wahlgesetz verstoßen. Außerdem besteht der Verdacht, dass die Marketingfirmen bei dieser Kampagne die Mobilfunknummern von WhatsApp-Benutzern unter Verletzung des Datenschutzes erfasst haben könnten.

Das Unternehmen Facebook (zu dem WhatsApp gehört) steht seit Längerem in der Kritik, weil über gefälschte Nutzerkonten Einfluss auf Wahlen und andere politische Entscheidungsprozesse genommen worden sein soll. Beispielsweise sollen russische Trolle per Werbung die letzte US-Präsidentschaftswahl beeinflusst haben, und eine anonyme Kampagne sollte britische Abgeordnete zur Ablehnung des Brexit-Deals bewegen.

Im Vorfeld der Präsidentschafts-Stichwahl in Brasilien hat Facebook laut Reuters bereits Falschinformationen über die Kandidaten auf seiner Social-Media-Plattform einzudämmen versucht. Bei den verschlüsselten WhatsApp-Nachrichten ist das jedoch nicht in der gleichen Weise möglich. Weil sich das Unternehmen 2016 geweigert hatte, Chatprotokolle des Messaging-Dienstes an die Strafverfolgungsbehörden weiter zu geben, wurde WhatsApp in Brasilien auf richterliche Anordnung für 72 Stunden gesperrt. (tiw)