Bundesnetzagentur: Probleme mit der Netzneutralität "nicht alarmierend"
Die Regulierungsbehörde hält derzeit keine Maßnahmen für den Schutz des Offenen Internets für nötig. Zunächst solle eine laufende Untersuchung vollendet werden, erklärte Referatsleiterin Cara Schwarz-Schilling im Bundestag.
Die Bundesnetzagentur hält derzeit keine weitere Vorgaben für erforderlich, um das Prinzip des offenen Internets zu bewahren. Probleme rund um die Netzneutralität seien etwas, "was wir uns anschauen müssen", erklärte Cara Schwarz-Schilling, Leiterin des des Referats Grundsatzfragen der Internetökonomie in der Regulierungsbehörde, am Montag im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags. Der Zustand sei aber "nicht alarmierend". Der Wettbewerb führe dazu, dass größere Eingriffe der Internetprovider in die Datenflüsse rasch wieder zurückgedrängt würden.
Die Abgeordneten hatten Schwarz-Schilling eingeladen, den jüngsten Bericht des Gremiums der europäischen Regulierungsbehörden (Gerek) zum offenen Internet zu erklären. Bei etwa einem Fünftel der mobilen Internetnutzer würden demnach Filesharing-Dienste oder VoIP blockiert oder gedrosselt. Im Festnetz beschränke ein gutes Drittel der Anbieter zumindest in Spitzenzeiten Peer-to-Peer-Netze (P2P). Dabei kämen technische Blockademittel wie Portsperren zum Einsatz oder würden vertraglich zumindest angedroht.
In Backbones gebe es quasi keine Einschnitte in die Netzneutralität, berichtete das Mitglied einer Gerek-Arbeitsgruppe zu Netzwerken der nächsten Generation. Zwischen den einzelnen Zugangsanbietern funktioniere der Markt auch wegen eines hohen Preisdrucks. Zudem seien die von Netzbetreibern gerne ins Feld geführten unterschiedlichen "Qualitätsklassen" zur Bevorzugung einzelner Dienste wie IPTV oder VoIP bisher "fast nirgendwo zementiert". Es sei extrem aufwendig, sie zu implementieren, da sie nicht "zur Grundstruktur des Internets passen". Es gebe zwar entsprechende Protokolle, die aber allenfalls in verschlüsselten privaten Netzen zwischen einzelnen Firmen genutzt würden.
Schwarz-Schilling brach eine Lanze für das "Best Effort"-Prinzip. Dieser Ansatz besagt, dass Datenpakete der Reihe nach ohne Vorzugsbehandlung verarbeitet und weitergeleitet werden. Die damit erreichte Qualität sei allen Unkenrufen zum Trotz gut. Kosten für die Übertragungen großer Datenmengen hätten enorm gesenkt werden können, während parallel immer mehr Austauschknoten aufgebaut worden seien. Es sei daher in der Regel effizienter, die Kapazität von Netzwerken zu erhöhen, als komplizierte Qualitätsklassen einzuführen.
Eine Differenzierung zwischen Datenpaketen halten die Regulierer laut Schwarz-Schilling "per se" aber nicht "für etwas Schlechtes", sodass es dafür keine pauschalen Verbote gäbe. Netzwerkmanagement könne etwa berechtigt sein, um die Verteilung einer knappen Bandbreite im Endkundenbereich zu steuern. Am besten sei es, wenn der Betroffene selbst entscheiden könne, "was priorisiert wird". Verkehrssteuerungsmaßnahmen könnten aber auch "für fragwürdige Zwecke" eingesetzt werden, räumte die Expertin ein. Das Risiko steige mit Marktmacht eines Providers und wenn ein Zugangsanbieter etwa auch selbst Mobilfunk oder VoIP anbiete.
Zu Details der benutzten Blockadetechniken konnte Schwarz-Schilling keine Auskunft geben. "Skype wird man mit Port-Blocken nicht Herr, da muss man andere Verfahren einsetzen", gab sie allgemein an. Kein bislang befragter Netzbetreiber in Europa habe aber zugegeben, den gesamten Verkehr mithilfe von "Deep Packet Inspection" (DPI) zu durchleuchten. Andererseits müsse man sich klar sein, dass "E-Mail öffentlich ist wie eine Postkarte". Letztlich sei für das Thema DPI der Bundesdatenschutzbeauftragte zuständig.
Die Bundesnetzagentur führt derzeit eine Messstudie etwa über die Webseite "Initiative Netzqualität" durch und arbeite daran, die neuen Vorgaben des novellierten Telekommunikationsgesetzes (TKG) etwa zur Transparenz bei Bandbreiten umzusetzen. Hier gäbe es auch die größten Beschwerden von den Verbrauchern, während es zur Netzneutralität an sich noch keine einzige gegeben habe. (vbr)