Bundeszocker haben etwas Spaß am Gerät
Einige Abgeordnete nutzten den ersten "Schnupperkurs" im Bundestag, um eigene Erfahrungen mit der Welt der Computerspiele zu machen. Es gehe aber nicht um die Botschaft, dass die Politik Shooter nun gut finde, meinte ein Probe-Daddler.
Mehrere Abgeordnete nutzten am gestrigen Mittwochabend die erste Politiker-LAN-Party im Bundestag, um erste eigene Erfahrungen mit der Welt der Computerspiele zu sammeln. Sie habe sich Die Siedler erklären lassen und sich "an einem Autorennen versucht", berichtete die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nach dem "Schnupperkurs". Dabei sei ihr aber gleich schlecht geworden. Sie selbst habe mehr Spaß an klassischen Brettspielen, erzählte die SPD-Politikerin weiter. Als einziges Computerspiel habe sie sich Solitaire auf ihr iPhone geladen, "für die S-Bahn". Das Informationsangebot begrüßte Zypries dennoch, da Ausprobieren in der Gemeinschaft besser sei als allein ohne menschliche Anleitung in den eigenen vier Wänden.
"Wir dürfen nicht immer als Blinde von der Farbe reden", begründete der FDP-Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen seine Teilnahme an dem für viele Bürgervertreter ungewöhnlichen Spieleabend. Zuvor hatte er sich an Counter-Strike gewagt. Der 3D-Shooter ließ sich an rund einem Dutzend vernetzter Rechner in einem Vorzimmer zur eigentlichen "Spielhölle" auf der Fraktionsebene des Reichstags in Angriff nehmen. Aggressiv sei er durch das Herumballern nicht geworden, sagte der Abgeordnete. Er könne sich aber vorstellen, dass davon für einzelne, sonst über wenig soziale Kontakte verfügende Daddler möglicherweise ein "Rausch" ausgehe. Der Liberale fügte hinzu: "Wir wollen aber nicht die Botschaft aussenden, dass wir das alles toll und klasse finden." Die vor allem von Konservativen immer wieder vorgebrachten Forderungen nach einer Kriminalisierung von Killerspielen trug Müller-Sönksen aber auch nicht mit: "Verbote müssen immer die Ultima Ratio bleiben."
LAN-Party im Bundestag (6 Bilder)
LAN-Party im Bundestag
Zu der Politiker-LAN geladen hatten drei junge Vertreter der Regierungskoalition. Rädelsführer Jimmy Schulz, FDP-Obmann in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", verwies darauf, dass Computerspiele für die meisten Kinder und Jugendliche selbstverständliche Realität geworden seien. Vielen Erwachsenen einschließlich Politikern bleibe diese Tür bisher leider aber verschlossen. Man biete den Kollegen hier daher an 30 Konsolen die "gesamte Palette" vom Baller- über das Geschicklichkeits- bis zum Bewegungsspiel. So wolle man "alles beleuchten und nichts verschweigen".
Die Parlamentarier konnten unter anderem DJ Hero 2, FIFA 11, Gran Turismo 5, Halo und Homefront, Mario Kart, Sports Champion und ein Tennisspiel testen. Mitorganisator Manuel Höferlin (FDP) lag es daran zu zeigen, "dass das oft gezeichnete Bild des vereinsamten Computerspielers vielmals wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat". Auf LAN-Partys sehe man, dass es den Teilnehmern um ein Miteinander beim vernetzten digitalen Spielen gehe. Dorothee Bär, Vertreterin des CSU-Netzrats, warf als Dritte im Bunde die Frage auf, wieso "gewaltverherrlichende Filme wie "Inglourious Basterds" einen Oscar erhielten, während bei vergleichbaren Games häufig nur nach der Indizierungsstelle und dem Gesetzgeber gerufen werde. Aufklärung sei aber die beste Medizin, "um offen, sachlich und vor allem fundiert über Chancen und Risiken von Computerspielen und intensiver Mediennutzung" diskutieren zu können. Die Familienexpertin freute sich daher besonders, dass auch "viele Rechts- und Innenpolitiker" gekommen seien.
Die Idee und ihre zunächst für vergangenen Herbst angekündigte Umsetzung sorgte nicht überall für Begeisterung. Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, fand es unverständlich, wozu er lernen solle, "wie man ein Killerspiel wie Counter-Strike spielt". Solche Genres, die "üble Instinkte im Menschen" wachriefen, dürften Jugendlichen nicht zur Verfügung gestellt werden, sagte er dem Spiegel. Bär versprach er später nach deren Angaben, trotzdem vorbeizukommen. Bis zum offiziellen Ende der Veranstaltung ward der Innenexperte aber nicht gesehen.
Empört reagiert hatte auch Hardy Schober, Sprecher des "Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden" und Vater eines Opfers. "Ich fühle mich von Politikern verhöhnt, die bei einer Party gegeneinander antreten, um zu lernen, wie man virtuell tötet", monierte er. "Dass wir Shooter dabei haben, ist notwendig", hielt Bär dem entgegen. "Ansonsten würde man sich unglaubwürdig machen", da nicht die ganze Bandbreite abgedeckt sei.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, nutzte die Gelegenheit, um über Gefahren der Online-Spielsucht aufzuklären. Die Politik müsse erst noch mehr über derlei Abhängigkeiten in Erfahrung bringen, räumte die selbsternannte "Spielverderberin" aber ein. An die Wirkung von Verboten in diesem Bereich glaube sie nicht. Besser sollten die Eltern häufiger "in die Kinderzimmer hineinschauen". Persönlich habe sie sich hier "das ein oder andere Spiel angeschaut". Generell habe sie aber "kein großes Interesse" an derlei Zeitvertreib.
Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), der den Infoabend zusammen mit der Electronic Sports League (ESL) unterstützte, sprach sich für einen neuen Anlauf zum Jugendschutz im Internet aus. Nachdem die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) im Dezember auf Länderebene scheiterte, sei nun die Bundespolitik gefordert, eine neue Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen. Sowohl für Nutzer als auch für die Industrie sei es dringend erforderlich, einheitliche und transparente Standards für online dargebotene Inhalte zu schaffen, allen voran verbindliche Alterskennzeichen für Spiele im Internet. Konkret könnte die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) nach dem Prinzip der "gestützten Selbstklassifizierung" Alterskennzeichen vergeben, die von entsprechenden Jugendschutzprogrammen ausgelesen würden. Die entsprechenden Vorarbeiten seien bereits geleistet worden. (anw)