Cold War Leaks: Leichtsinnige Falken im Westen und nervöse Falken im Osten am Rand eines Atomkriegs
Geheimdienstarbeit der Pre-Snowden-Ă„ra: ein Telepolis-eBook ĂĽber Geheimnisvolles und Geheimdienstliches im Kalten Krieg
- Thomas Pany
In Zeiten des Kalten Krieges waren die Geheimdienste natürlich nicht untätig, selbst wenn die technischen Mittel beschränkter waren und die Welt einfacher geordnet. Die Auseinandersetzung der zwei Supermächte, den USA und der Sowjetunion, dominierten die große Politik. Beide, so schien es im zeitgenössischen Blick, hatten nichts Dringlicheres zu tun, als mit gigantischem Aufwand die gegenseitige Vernichtung vorzubereiten.
Wie war es möglich, dass sich die USA vor einer nie ernsthaft drohenden kommunistischen Invasion fürchteten? Und wie kam es umgekehrt zur sowjetischen Nervosität Anfang der 1980er Jahre, als man in Moskau mit einem nuklearen Überraschungsschlag rechnete? Was waren es für Menschen, welche die Geheimdienste aufbauten und wie dachten die Militärs wirklich?
Im gerade bei Telepolis erschienenen eBook Cold War Leaks gewährt Markus Kompa Einblicke in die abgründige und schillernde Welt der Geheimdienstarbeit der Pre-Snowden-Ära.
Bei seinem Studium der Geheimdienste stieß Kompa auf manche abstruse Angelegenheiten und entdeckte viele Begebenheiten, die hierzulande noch unbekannt sind, zumindest aber nicht in deutscher Sprache erzählt wurden, etwa die Biographie des berüchtigten CIA-Begründers Allen Dulles oder des Anfang der 1960er Jahre obersten Militärs General Lyman Louis Lemnitzer. Den Juristen Kompa fasziniert der Widerspruch, dass Staaten, die eigentlich dem Recht verpflichtet sind, Organisationen unterhalten, deren Aufgabe eben genau der Bruch fremden Rechts ist - und mitunter auch des eigenen.
Für sein Buch führte der Telepolis-Autor lange Gespräche mit Experten und Akteuren hinter den Kulissen, darunter mit "NATO-Spion" Rainer Rupp, Rotarmist Stanislaw Petrow und Bärbel Bohley, die es mit dem MfS aufnahm. Die Geschichte der Geheimdienste im Kalten Krieg eröffnet auch einen Blick auf die Mentalität und das Verhalten der heutigen Geheimdienste, die anscheinend frei Schalten und Walten können und offenbar keine Grenzen kennen. Auch der Mordfall Uwe Barschel wird noch einmal aufgerollt, es geht um Stasi-West und Verfassungsschutz-Ost oder um das Abhören im Adenauer-Deutschland und in Neuland.
Die lange Zurückhaltung deutscher Historiker etwa bei der Darstellung der RYAN-Krise von 1983 bestätigt, dass man die Geschichtsschreibung nicht den etablierten Historikern allein überlassen sollte. Nicht einmal die sonst in Vorwörtern von Geheimdienstsachbüchern übliche Binsenweisheit, einen James Bond gäbe es nur im Kino, wird man nach Lektüre des Kapitels über Karlheinz Christmann halten können.
Dem eBook liegen Artikel zugrunde, die in Telepolis erschienen sind und überarbeitet sowie erheblich erweitert und vertieft wurden. Das eBook ist zum Preis von 4,99 unter anderem erhältlich bei Amazon, iTunes, Beam oder dem Heise-Shop.
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