Content-Plattform für Digitalkinos nimmt Betrieb auf [Update]
Kinos sollen Material für die digitale Projektion künftig über eine zentrale Plattform beziehen können. Dabei wird auch die Schlüsselverwaltung vereinfacht, damit Pannen wie zuletzt bei Avatar nicht mehr passieren.
Kinobetreiber können digitale Filmkopien künftig über eine zentrale Plattform für die Vorführung entschlüsseln und dort auch Trailer oder Werbefilme beziehen. Das Digital Content Portal Germany wird von einer Tochtergesellschaft des Verbands deutscher Filmtheater (HDF Kino) betrieben und soll in der kommenden Woche in den Live-Betrieb gehen. Zum Start nehmen zehn deutsche Kinos mit zusammen 30 digital bespielbaren Leinwänden an dem System teil, darunter Filmtheater der Ketten Kinopolis, Cineplex und Cinemaxx sowie unabhängige Betriebe wie das Kölner Multiplex-Urgestein Cinedom. Bis Ende des Jahres rechnet Betreiber DCP Germany mit bis zu 60 Kinos.
In den teilnehmenden Kinos wird dafür ein Server aufgestellt, über den Inhalte automatisch aus dem Rechenzentrum von DCP Germany bezogen werden können. Als eines der ersten Kinos wird das zur Kinopolis-Gruppe gehörende Münchner Traditionskino Mathäser mit einem Server ausgerüstet. Bei der Hardware handelt es sich Quadcore-Standardserver mit einem Linux-Betriebssystem und drei bis vier Terabyte Plattenkapazität, erklärte ein Sprecher des Anbieters. "Der Speicherbedarf schwankt je nach Kino und ergibt sich aus der Zahl der Leinwände und Hauptfilme." Für den Server und die Nutzung der Plattform sollen den Kinos keine Kosten entstehen. Den Betrieb finanzieren sollen die Unternehmen, die die Plattform zur Verbreitung ihrer Inhalte nutzen und dafür Gebühren entrichten.
Auf dem Server, der die Digitalprojektoren in den Kinos füttert, können die Kinobetreiber über ein Web-Interface ihre Abspiellisten für Trailer und Werbefilme erstellen und verwalten. Auch die Erstellung der Berichte über den Einsatz von Vorfilmen soll das System erleichtern. Künftig soll die Plattform auch auf bereits vorhandener Hardware installiert werden können, erklärte der DCP-Sprecher. [Update: Das Unternehmen kooperiert mit dem Ausrüster XDC und anderen Anbietern, um das Zusammenspiel mit vorhandenen Systemen zu ermöglichen.]
DCP Germany stellt auf der Gegenseite die für die Inhaltezulieferung und Schlüsselverwaltung notwendige Serverkapazität zur Verfügung. Der Plattformanbieter hat sich dafür im Nürnberger Rechenzentrum des Abrechnungspezialisten Datev eingemietet. "Die Datev geht mit riesigen Mengen sensibler Daten um und ist in ihrem eigenen Betrieb auf stoßweise anfallenden Datentransfer zum Beispiel im Rahmen der monatlichen Gehaltsabrechnungen konfrontiert", erklärt DCP-Chef Richard Kummeth die Wahl. Damit biete der Abrechnungsdienstleister die nötige Leistungsfähigkeit und Sicherheit für die Digitalkinoplattform. "Die Migration aus der Entwicklungsumgebung ins Rechenzentrum der Datev ist auf jeden Fall bis Ende dieser Woche abgeschlossen", bekräftigte der DCP-Sprecher, "dann ist die Plattform live."
Über die zentrale Plattform sollen nach Vorstellung der Betreiber mittelfristig alle digital projizierenden Kinos ihr Vorprogramm beziehen. [Update: Später könnten auch die Filme selbst übers Netz kommen, konkrete Pläne gibt es hier allerdings noch nicht, betont der Anbieter.] Derzeit werden die verschlüsselten digitalen Filmkopien noch auf Festplatten an die Kinos geliefert. Auch die Entschlüsselung der Filmdateien soll mit dem Schlüsselversand über das Digital Cinema Portal einfacher und sicherer werden. Denn in der Vergangenheit funktionierte die Verteilung der Schlüssel nicht immer reibungslos. Ausfälle ganzer Vorführungen wie zum Start des 3D-Blockbusters Avatar soll es mit der Plattform nicht mehr geben. Bei der Avatar-Vorpremiere im Dezember 2009 blieb in etlichen Kinos die Leinwand schwarz, da nicht rechtzeitig gültige Schlüssel verschickt worden waren.
Bei nach dem DCI-Standard verschlüsselten Filmen können Verleiher detaillierte Vorgaben etwa zu Vorführungszeiten und bestimmten Kinosälen machen. Dabei wird ein individueller Schlüssel über eine Key Delivery Message (KDM) an die Kinos vergeben, die damit eine Filmkopie zu einem bestimmten Vorstellungstermin entschlüsseln können. Gleichzeitig wird über eine Trusted Device List (TDL) abgeglichen, ob auch der jeweilige Projektor zur Vorführung legitimiert ist. Beim derzeit noch üblichen manuellen Versand der Schlüssel per E-Mail haben die Kinobetreiber wenig Spielraum, wenn sie etwa kurzfristig den Saal für eine Vorführung wechseln wollen. Das soll mit der neuen Plattform einfacher werden, erklärte der DCP-Sprecher.
Der HDF Kino ist über seine Tochter Forum Film GmbH Hauptgesellschafter der im September 2009 gegründeten DCP Germany GmbH. Mit 20 Prozent ist inzwischen auch das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) beteiligt, das ein Validierungsverfahren für Inhalte und Verfahren nach dem DCI-Standard entwickelt hat. Weitere 20 Prozent hält Geschäftsführer Kummeth. Für weitere Beteiligungen ist die Gesellschaft ausdrücklich offen. Dies dürfte auch eine Einladung an die Verleiher und die Werbewirtschaft sein. (vbr)