Datenschützer beklagen Wildwuchs bei Videoüberwachung

Bei Bürgerbeschwerden gehe es zunehmend um Kameras im öffentlichen und privaten Raum, monierte der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch. In anderen Bundesländern ist es ähnlich.

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Als "Dauerbrenner" und Sorgenkind hat der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch das Thema Videoüberwachung bezeichnet. In Bäckereien, Friseursalons, Sauna- und Umkleidebereichen, Stadthallen, denkmalgeschützten Einrichtungen und sogar im Wald würden immer mehr elektronische Augen installiert, monierte der Ronellenfitsch zur Präsentation seines Tätigkeitsberichts für 2013 am Dienstag in Wiesbaden. Auch vor Schulen und Kindergärten machten die Kameras nicht halt.

Ronellenfitsch hat eine "pathologische Neigung" ausgemacht, nicht nur das persönliche Eigentum schützen, sondern auch den Nachbarn bespitzeln zu wollen. Erstmals seien im vergangenen Jahr unter den Beschwerden zur Videoüberwachung Eingaben zu Flugdrohnen mit HD-Kameras gewesen. Es sei problematisch sie einzusetzen, wenn die Aufnahmen einen Personenbezug erkennen ließen oder gezielt öffentlich zugängliche Bereiche im Blick hätten. Der Datenschützer bedauerte, dass in den meisten Fällen die Verantwortlichen nicht ausfindig gemacht werden könnten, da die Piloten oft weit entfernt stünden.

Insgesamt gingen 2013 bei der Behörde 7158 Beschwerden und Anfragen ein, während es im Vorjahr noch 5888 waren, erklärte Ronellenfitsch. Darunter seien 333 Beratungsgesuche gewesen, bei denen es in zwei von drei Fällen um Videokameras gegangen sei. In mehreren Fällen hätten die Kontrolleure Bußgelder bis zu 2500 Euro angedroht, um den Abbau illegal angebrachter Überwachungssysteme zu erzwingen. Ein Verzeichnis solcher Anlagen hält Ronellenfitsch aber nicht für sinnvoll, da private Kameras nicht überall erfasst werden könnten.

Den Gesetzgeber sieht der Experte am Zug. Anders als im Bundesdatenschutzgesetz fehlt ihm zufolge in dessen hessischem Pendant eine Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung durch öffentliche Stellen. Eine Ausnahme bildeten nur besonders gefährdete öffentliche Einrichtungen. Hier sei eine angepasste Regelung nötig.

Auch der Datenschutzbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Dankert, zieht in seinem am Dienstag vorgestellten Tätigkeitsbericht für 2012/13 einen Wildwuchs der Videoüberwachung. "Oft lassen sich Unternehmen von kostengünstigen Produkten verleiten, die inzwischen immer öfter um moderne Internettechnik ergänzt werden", rügt Dankert. Wenn Technik zur Gesichts- oder Verhaltenserkennung dazu kämen, "sind Eingriffe in die Privatsphäre von Kunden und Beschäftigten programmiert". Offenbar würden in vielen Fällen Rechtsbrüche bewusst einkalkuliert. Sanktionen seien zunächst nicht zu erwarten, da Ordnungswidrigkeitsverfahren rund drei Jahre dauerten.

Die brandenburgische Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hat sich laut ihrem aktuellen Bericht für die vergangenen beiden Jahre mit einer Umfrage unter Verkehrsunternehmen einen Überblick über deren Praktiken bei der Videoüberwachung zu verschaffen versucht. Diese ergab, dass Kameras im öffentlichen Personennahverkehr weit verbreitet sind. Nachbesserungen seien teils bei Speicherfristen und organisatorischen Regelungen erforderlich. Auch müssten die Anlagen besser kenntlich gemacht werden. Außerdem sei immer die strenge Zweckbindung der Videoaufnahmen zu beachten.

Ein Bußgeld verhängte Hartge nach eigenen Angaben gegen die Inhaber dreier Friseurgeschäfte, die ihre Angestellten mit mehreren Kameras die in kleinen Weckern versteckt waren, heimlich überwachten. Auch Kunden seien ins Blickfeld geraten.

In allen drei Berichten wird die massive Telekommunikationsüberwachung der NSA und anderer Geheimdienste kritisiert. Es sei empörend, dass damit anlasslos die gesamte Bevölkerung befreundeter Nationen bespitzelt werde. Immer wieder müsse ein sorgsamer Umgang mit persönlichen Informationen und eine rasche EU-Datenschutzreform eingefordert werden. (anw)