Datenschützer fordert Grundrecht auf Pseudonymität im Web
Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar appelliert an die Politik, ein "Grundrecht auf pseudonyme Nutzung von Telemedien" zu schaffen. Nur so könne der "Überwachungskapitalismus" eingehegt werden.
Johannes Caspar, Leiter der Hamburgischen Datenschutzbehörde, hat sich für ein Grundrecht auf Pseudonymität im Web ausgesprochen. Jeder Nutzer von Online-Diensten müsse sagen können, "ich möchte hier nicht mit realem Namen unterwegs sein", erklärte er am Mittwoch auf dem Euroforum-Datenschutzkongress in Berlin. Es sei zwar verständlich, dass die Betreiber Daten mit direktem Personenbezug als ökonomisch wertvoller ansähen. Die allgemeine Handlungs- und Vertragsfreiheit vor allem großer Plattformen, die möglichst viele Nutzer anzögen, seien in der Frage aber "deutlich eingeschränkt".
Eine Basis für den geforderten Anspruch sei hierzulande zwar bereits mit dem Telemediengesetz (TMG) und seinen Vorgaben zur Datensparsamkeit gelegt, erläuterte Caspar. Besser wäre es aber, das gewünschte Grundrecht gleich in einer ersten Reform der noch gar nicht in Kraft getretenen europäischen Datenschutz-Grundverordnung explizit zu verankern oder in eine neue "digitale Grundrechte-Charta" einzubauen. Dies sei enorm wichtig für das Leben in der vernetzten Gesellschaft.
Hassbotschaften auch unter Klarnamen
Caspar begründete seine Forderung damit, dass durch den "Überwachungskapitalismus" auf Plattformen wie Facebook das informationelle Selbstbestimmungsrecht ausgehebelt werde. Dort gebe es ein "diensteübergreifendes Tracking über Social Plugins", zudem würden Daten an US-Geheimdienste wie die NSA weitergegeben. Nutzern müsse es möglichst sein, derlei Praktiken zumindest zu erschweren. Auch gehe es bei dem Anspruch auf Pseudonymität um den Schutz von Minderheiten, Berufsgeheimnisträgern, Minderjährigen oder vor Stalkern. Auch die Meinungsfreiheit politisch Verfolgter oder Andersdenkender könne damit abgesichert werden.
Facebook setze die eigene, von ihm vor Gericht bekämpfte Klarnamenpflicht auch gar nicht wirklich durch, führte Caspar aus. Geschätzt liefen 33 Prozent der Profile in Europa bei dem sozialen Netzwerk unter Pseudonymen. Das Argument, dass Pseudonymität Entgleisungen wie Hate Speech befördere, wollte Caspar nicht anerkennen: Viele Nutzer hinterließen auch mit richtigem Namen ihre Hassbotschaften auf Online-Plattformen. Der Streit über zunehmende Beschimpfungen sowie Urheberrechtsverletzungen im Netz hatte jüngst Forscher und Politiker vor allem gegen die "heilige Kuh" der Online-Anonymität aufgebracht. Dabei handle es sich gerade nicht um ein Grundrecht, hatte es damals geheißen. (anw)