Deutsche Bahn setzt beim Car-Sharing vermehrt auf Elektroautos

Der Staatskonzern wolle 2011 den Anteil von E-Mobilen in seiner Mietautoflotte auf 10 Prozent steigern. Ferner liefen derzeit Verhandlungen mit Daimler und Peugeot, um deren Car-Sharing-Angebote in das der Bahn zu integrieren, zitiert die FTD den zuständigen Manager der Deutschen Bahn AG.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sven-Olaf Suhl

Alle reden von Elektroautos, die Bahn kauft welche: So lässt sich in Anlehnung an den Werbeslogan aus Bundesbahn-Zeiten ("Alle reden vom Wetter. Wir nicht") eine aktuelle Ankündigung der Deutschen Bahn AG umschreiben. "Wir wollen in einem Jahr 10 Prozent unserer Leihwagen elektrisch betreiben", zitiert die Financial Times Deutschland (FTD) heute den für die Automiet-Angebote der Bahn verantwortlichen Mananger Rolf Lübke.

Darüber hinaus verhandelt der Konzern mit den Autokonzernen Daimler AG und PSA (Peugeot/Citroën), die ihrerseits jeweils eigene Konzepte zur Kurzzeitmiete von Autos (derzeit hauptsächlich mit konventionellen Verbrennungsmotoren) verwirklicht haben, darüber, diese Angebote in das Carsharing-System der Bahn zu integrieren.

Car2go-Kunden öffnen und mieten ein Auto, indem sie ihren Führerschein ans Fenster halten. Hierzu wird bei der einmaligen Anmeldung ein RFID-Chip auf die Fahrerlaubnis geklebt.

(Bild: Daimler AG / heise Autos)

Daimlers Konzept Car2go erfreut sich dem Autokonzern zufolge großer Nachfrage. In Deutschland ist es zwar bislang nur in den Nachbarstädten Ulm und Neu-Ulm verfügbar. Doch unterscheidet es sich von anderen Mietwagen-Angeboten erstens dadurch, dass die Kunden einen freien Smart-Pkw spontan für einen beliebigen Zeitraum mieten und irgendwo im Stadtgebiet wieder parken können. Zweitens ist der Mietvorgang bequem: Einmal angemeldete Nutzer öffnen und mieten das Auto per RFID-Chip, der an ihrem Führerschein angebracht ist. Drittens wird die Nutzung – ähnlich einem Handy-Tarif ohne Grundgebühr – zeitbasiert abgerechnet: Eine Minute kostet 19 Cent, die Stunde maximal 9,90 Euro – Verbrauchskosten inklusive. Während einer Einführungsphase kostete der Kalendertag maximal 49 Euro, inzwischen berechnet Car2go einem Mieter maximal 119 Euro pro Tag – was einer Nutzungsdauer von 12 Stunden an einem Kalendertag entspricht. Im Frühjahr hatte Daimler angekündigt, Car2go noch 2010 auch in einer "europäischen Millionenstadt" anzubieten, konkretere Angaben machte der Konzern aber bis dato nicht.

Weniger flexibel ist das Angebot Mu by Peugeot: Der Konzern bietet Mu (sprich "Mü") nach dem Start in französischen Städten seit Mai auch in Berlin an. Zwar halten die Franzosen ein breites Spektrum an Fahrzeugen vom Zweirad bis zum Kleintransporter bereit, doch müssen Kunden ein Fahrzeug vorher reservieren, und die Abholung und Rückgabe muss an ein und derselben Mietstation in der Bundeshauptstadt erfolgen.

Mit Flinkster testet die Deutsche Bahn derzeit in Köln sowie in Stuttgart ein Mietkonzept, das wie eine Mischform aus Car2go und Mu anmutet: Während der Staatskonzern in anderen Städten am Hauptbahnhof Car-Sharing-Satationen betreibt, bietet er in Köln und Stuttgart jeweils über ein Dutzend über das Stadtgebiet verteilter Mietstationen an. Die Tarifstruktur von Flinkster ist zwar auch auf Kurzzeit-Mieten zugeschnitten, ist jedoch erheblich komplexer als die von Car2go. So zahlen Flinkster-Nutzer über eine Stunden-Pauschale von 1,50 Euro hinaus eine Verbrauchspauschale von 0,25 Euro pro Kilometer. Daneben gibt es Pauschalangebote: Bis Mitte September befristet sind Tagesgebühren von 25 Euro sowie eine Monatsmiete von 150 Euro im Angebot – allerdings jeweils zuzüglich der "Kraftstoff"- beziehungsweise Verbrauchspauschale.

Alle drei Vermietkonzepte erscheinen als Beleg dafür, dass mit der Eisenbahn und alteingesessenen Autokonzernen gleich zwei Schlüsselbranchen das Thema "Individualverkehr für Personen ohne eigenes Auto" als Wachstumsmarkt identifiziert haben. Schon bei konventionellen Autos mit Verbrennungsmotor zeichnet sich in den Großstädten die Tendenz ab, dass sich Personen einen eigenen Pkw gar nicht leisten können beziehungsweise wollen, weil ihnen die "Standkosten" wie Parkgebühren oder der Wertverlust durch das schlichte Älterwerden des Autos zu hoch sind. Außerdem weisen Studien darauf hin, dass unter jungen Menschen die Bedeutung des (eigenen) Autos als Statussymbol abnimmt.

Beim Trendthema Elektromobilität kommt noch hinzu, dass Privatleute kaum bereit sein dürften, den Gegenwert einer Mercedes-Limousine in die Hand zu nehmen, um als Beta-Tester eines elektrischen Kleinwagens zu fungieren, der nach einigen Stunden Aufladezeit vielleicht 100 oder 200 Kilometer weit kommt. Auch liegen bislang kaum Erfahrungswerte vor, nach welcher Gesamtfahrleistung der Akku im Auto wesentlich an Kapazität verliert. Dies gilt insbesondere für in Lithium-Ionen-(Li-Ion-)Technik aufgebaute "Traktionsbatterien" der E-Mobile, auf die Pioniere wie Tesla Motors ebenso setzen wie die weltgrößten Autokonzerne.

Hingegen sind Anbieter von Kurzzeit-Automieten prädestiniert, Flottenversuche mit Elektroautos durchzuführen – und nebenbei ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. Nach Angaben der Deutschen Bahn vom Juli bietet "e-Flinkster" Fahrten mit Elektroautos derzeit in Frankfurt, Berlin und Saarbrücken an. Wie hoch der Anteil der Elektroautos an den rund 2100 Carsharing-Autos, die die Bahn derzeit insgesamt in Deutschland anbietet, ist, geht daraus nicht hervor. Der FTD zufolge setzt die Bahn mit Mini E, Mercedes Smart, Citroën C1 oder Peugeot iOn auf Elektro-Varianten von Autos, die in dieser Form noch gar nicht an Privatleute verkauft werden. (ssu)