Deutsche Industrie-Vereinigung beklagt 30 Milliarden Euro Schaden durch Plagiate

Markenhersteller in der bayerischen Hauptstadt leiden am stärksten unter Plagiaten, geht aus dem ersten Produktpiraterieatlas hervor. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat ein Online-Hilfeportal für Betroffene gestartet.

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Markenhersteller in München leiden am stärksten unter Plagiaten. Dies geht aus dem ersten "Produktpiraterieatlas" hervor, den die 1995 gegründete Vereinigung zur Bekämpfung von Produktpiraterie e.V. (VBP) am heutigen Montag vorgestellt hat. Für die Studie befragte die Lobbygruppe 170 Markenhersteller aus den Branchen Textil, Kosmetik, Uhren und Schmuck, Maschinenbau, Elektronik sowie Informations- und Kommunikationstechnik. Auf den nachfolgenden Rängen der am häufigsten von Markenpiraterie "heimgesuchten" Städten liegen der Übersicht zufolge Köln, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart.

Dass es vor allem die bayerische Hauptstadt erwischt hat, erklärt die Studie durch die dortige große Anzahl heimischer und ausländischer Luxus- und Sportartikelhersteller. Deren Erzeugnisse würden besonders gerne gefälscht. Ebenso oft kopiert würden hochwertige Kommunikations- und Mediengeräte aus Amerika und Fernost, deren Hersteller Niederlassungen in den genannten Großstädten hätten. Insgesamt sei nicht vor der Hand zu weisen, dass Produktpiraterie ein "deutschlandweites Problem" sei.

Behörden und Detekteien haben laut VBP innerhalb der letzten 19 Monate gefälschte Produkte in 27 Ermittlungsgebieten innerhalb der Bundesrepublik sowie in den Grenzgebieten mit Polen und Tschechien auf Märkten aufgespürt. Besonders ergiebig seien aber nach wie vor die klassischen Einfallstore der Produktpiraten in Form von Flug- und Seehäfen sowie Grenzübergängen. Allein am Frankfurter Flughäfen seien im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 350.000 Plagiate beschlagnahmt worden. Im Vorjahreszeitraum waren es angeblich erst 290.000. Zu den erwischten Fälschungen zählten etwa CDs und DVDs, Parfums, Mobiltelefone und Lederwaren.

Das Internet und vor allem Online-Auktionshäuser fördern laut VBP zudem die "explosionsartige Verbreitung" gefälschter Markenartikel. Eine wissenschaftliche Untersuchung habe ergeben, dass etwa über 80 Prozent eines angeblichen Marken-Eau-de-Toilettes, das über eine renommierte Auktionsplattform im Netz angeboten wurde, unter falscher Flagge gefahren seien.

Der wirtschaftliche Schaden ist dem Verein zufolge enorm und werde allein in Deutschland auf über 30 Milliarden Euro veranschlagt. Hinzu komme ein jährlicher Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen, rechnet der VBP pauschal ohne nähere Erläuterungen vor. Der Verbund hat es sich unter anderem auf die Fahnen geschrieben, Plagiaten Paroli zu bieten, Konsumenten und die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren sowie neue und effektivere Gesetzesvorhaben in die Wege zu leiten. Derzeit werden härtere rechtliche Maßnahmen gegen die Produktpiraterie etwa im Rahmen der Weltzollorganisation oder führender Industriestaaten unter dem Aufhänger eines "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA) vorbereitet.

Das Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) startete derweil vergangene Woche ein Internetportal rund um technologischen Know-how-Schutz. Es wendet sich vor allem an Unternehmen, die sich von einer konkreten Gefahr der Produktpiraterie bedroht sehen oder bereits von Imitationsfällen betroffen sind. Ziel ist es, diese Firmen bei der Suche nach wirksamen Mechanismen zum Schutz vor Produktimitationen zu unterstützen. Nach Registrierung wird anhand eines Fragekatalogs die jeweilige Situation genau unter die Lupe genommen. Zusätzlich hält das Portal eine offene Suchfunktion bereit, mit der Nutzer aus einer Liste von technischen und strategischen Schutzmechanismen selbstständig Maßnahmen auswählen können, die sich zur Umsetzung in ihrem Unternehmen am besten eignen. (Stefan Krempl) / (jk)