Domain-Anarchie: Neue TLD ohne ICANN-Segen

Mit .selbst gibt es eine neue Toplevel-Domain, die nicht vom ICANN-Gremium genehmigt wurde.

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Von
  • Monika Ermert

Mit .selbst gibt es eine neue Toplevel-Domain (TLD) ohne Segen der ICANN. Der 3-Frauen-Betrieb exist@ bietet darunter persönliche Domains auf Lebenszeit an. Auch nachdem ein Nutzer die Adresse nicht mehr verwendet und die Monatsgebühr von 1,30 Euro (8 Euro Einrichtungsgebühr) nicht mehr bezahlt, bleibt ihm sein ".selbst" erhalten.

.selbst hat aber wie alle alternativen Domains von .sport bis .kirche, die exist@-Partner BORoon hierzulande unter die Leute bringen will, ein fatales Problem: Sie sind nur für Computer erreichbar, die die zwei BORooN-Server als autoritative Adressen für Anfragen nach den alternativen Namen eingetragen haben. Zwar gibt es ein kleines Programm, das die notwendigen Änderungen unter Windows vornimmt, doch das dürften in der Hauptsache nur Besitzer entsprechender Domains nutzen. Man sei mit ISPs im Gespräch, um die BORooN-Server-Adressen bei deren Nameservern eintragen zu lassen, versichert Susann Ricke von exist@. "Aber im Moment richten sich natürlich gerade die Großen alle nach der ICANN."

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat bislang nur sieben neue TLDs zugelassen und verurteilt Eigeninitiativen wie die von Exist@ und BORooN aufs schärfste. Die beiden Firmen sind allerdings kleine Fische. So hat die US-Firma New.net bereits Dutzende neuer TLDs in verschiedenen Sprachen eingeführt, ohne sich um den zähen und allseits als willkürlich bezeichneten ICANN-Auswahlprozss zu kümmern.

Bescheiden sind die Deutschen allerdings nicht. Schon im Juni plant Ricke zusammen mit BORooN eine weitere TLD auf den Markt zu bringen, für eine ganz eigene Community: Unter .frau sollen sich Männer nicht registrieren dürfen. "Mit 43 Prozent SurferInnenanteil sind wir fast die Hälfte der Internet-NutzerInnen (Tendenz steigend), aber trotzdem werden wir nicht respektiert," heißt es in den Plänen für die lila Domain. "Wir unterstützen ungewollt Provider, durch Registrierung von Domains und E-Mail-Adressen, die gleichzeitig pornographische Portale betreiben oder hosten." Aus der Frauen-Community soll auch gleich noch ein Frauenportal wachsen. Passzwang soll die Anmeldung dort nur für Frauen ermöglichen.

Ob sich so viel Aufwand letztlich lohnt, weiß man bei Exist@ selbst noch nicht. "Vielleicht finden wir Sponsoren für den Frauenbereich," hofft Ricke. Das Geschäft mit den schwer auffindbaren Domains lief bei BORoon bislang vor allem durch kostenlose Registrierung; rund 10.000 Nutzer sollen zugegriffen haben. "Wir bieten kein Hosting, daher werden die Adressen nicht viel genutzt," sagt Pascal Bernhard von BORooN. Man wolle sich in nächster Zeit wesentlich stärker um die Infrastruktur kümmern; es gebe eine gewisse Konjunktur für ein eigenes europäisches Root-Server-System, meint Bernhard. (Monika Ermert)/ (ad)