Drohnenkrieg: USA veröffentlichen Rechtfertigung für außergerichtliche Tötung
Nach einem jahrelangen Rechtsstreit hat die US-Regierung das Memo veröffentlicht, mit dem die außergerichtliche Tötung eines US-Bürgers gerechtfertigt wurde. Der wurde als mutmaßlicher Terrorist im Jemen Opfer eines US-Drohnenangriffs.
Die US-Regierung hat ein vormals geheimes Memorandum veröffentlicht, in dem die außergerichtliche Tötung des US-Bürgers Anwar al-Awlaki durch einen Drohnenangriff juristisch gerechtfertigt wird. Dem Schritt war ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Bürgerrechtsorganisation ACLU und der New York Times vorausgegangen, in dem sich Obamas Regierung massiv gegen diese Veröffentlichung gewehrt hatte. Das habe wohl daran gelegen, dass dieses Memo eine "schlampige Mischung aus juristischen Theorien sei, deutlich darauf zugeschnitten, das gewünschte Ergebnis zu erreichen", konstatiert nun die New York Times.
Anwar Al-Awlaki war in den USA geboren, lebte mehrere Jahre seiner Kindheit im Jemen und kehrte dann in die Vereinigten Staaten zurück. Dort trat er vermehrt als Prediger auf, bevor er 2004 wieder in den Jemen ging. Dort landete er im Gefängnis, offenbar auf Druck der USA. Dann radikalisierte er sich und plante angeblich Anschläge auf US-Amerikaner. Am 30. September 2011 wurde er schließlich bei einem Drohnenangriff der CIA getötet. Wenige Tage später ereilte das gleiche Schicksal seinen 16-jährigen Sohn, der sich auf die Suche nach seinem Vater begeben hatte. Diese Geschehnisse hat der Investigativreporter Jeremy Scahill für den Film "Dirty Wars" untersucht.
Die zentrale Begründung, mit der die US-Regierung die Tötung von US-Bürgern ohne Gerichtsprozess rechtfertigt ist eine sogenannte "Rechtfertigung des Hoheitsträgers" ("public authorities justification"). Das ist ein juristisches Konzept, das es der Regierung erlaubt, Gesetze zu brechen, wenn ein Notfall eintritt – in Deutschland etwa bei "Gefahr im Verzug". Deswegen dürften etwa Löschfahrzeuge der Feuerwehr die Geschwindigkeitsbegrenzung übertreten oder Polizisten auf gefährliche Personen schießen. Dieses Konzept aber derart auszuweiten, sei gefährlich, schreibt die New York Times, könnten doch damit verschiedenstes Fehlverhalten gerechtfertigt werden.
Die Washington Post weist darauf hin, dass einige Passagen vor der Veröffentlichung aus dem Dokument entfernt wurden. Darunter wohl auch die Stellen, in denen das US-Justizministerium begründet, warum die Tötung al-Awlakis ohne Gerichtsprozess nicht gegen die US-Verfassung verstößt. Erklärt werde aber, dass al-Awlakis Verbindung zu Al-Quaida ihn für die US-Regierung in den Anwendungsbereich der juristischen Grundlage für den Afghanistan-Krieg gebracht habe. Weil darin keine geographischen Grenzen festgelegt worden seien, habe al-Awlaki im Jemen angegriffen werden können – weit entfernt von Afghanistan. Außerdem werde begründet, dass US-Bundesgesetze die sich gegen US-amerikanische Mörder im Ausland richten, nicht auf eine autorisierte Militäroperation der Streitkräfte anzuwenden seien. "Wir sind sicher, dass die Operation im Einklang mit den internationalen Regeln für diesen bewaffneten Konflikt ausgeübt werden." (mho)