ESA-Landeroboter Philae: Erkenntnisse lassen Forscher staunen
67P/Tschurjumow-Gerassimenko überrascht Astronomen: Der Komet enthält organische Moleküle und eine Oberfläche, die stellenweise weich wie Neuschnee, andernorts extrem hart ist. In sieben Fachartikeln stellen Forscher neue Erkenntnisse der Mission vor.
Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ist wesentlich vielseitiger als bisher vermutet: Messungen des Landeroboters Philae beweisen, dass der Himmelskörper viele organische Moleküle enthält. Zudem zeigen die ungeplanten Hopser des Mini-Labors, dass die Oberfläche stellenweise weich wie Neuschnee ist, andernorts dagegen extrem hart. Das schreiben Forschergruppen mit deutscher Beteiligung in sieben Fachartikeln des Magazins Science.
Organische MolekĂĽle
Ein Team um Fred Goesmann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) berichtet über den Nachweis von 16 organischen Molekülen. Vier davon wurden noch nie auf einem solchen Himmelskörper gefunden: Methyl-Isocyanat, Aceton, Propionaldehyd und Acetamid sind recht kleine Moleküle. "Insgesamt handelt es sich um einen wahren Baukasten organischer Verbindungen, von denen viele als Ausgangspunkt für wichtige biochemische Reaktionen dienen können", erklärt Goesmann.
In weiteren chemischen Reaktionen könnten sie sich zu Bausteinen des Lebens wie etwa Zuckern oder Aminosäuren entwickeln, die nach dem Glauben vieler Forscher zur Entstehung des Lebens auf der Erde beigetragen haben. Ein Team um Ian Wright von der britischen Open University in Milton Keynes fand Hinweise auf größere kettenförmige Moleküle, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen.
Aufnahmen von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (38 Bilder)
(Bild: ESA/Rosetta/NAVCAM, CC BY-SA 3.0 IGO)
67P/Tschurjumow-Gerassimenko verblüfft die Forscher auch mit seiner Oberfläche. Bei der ersten Landung einer Raumsonde auf einem Kometen war der Landeroboter Philae zuerst in der Region Agilkia aufgesetzt, dann abgeprallt und zwei Stunden später nach zwei weiteren Hüpfern am ungeplanten Landeort Abydos zum Stillstand gekommen.
Weich wie Neuschnee
Die Forscher berichten, dass die Oberfläche des Kometen bei Agilkia von einer etwa 20 Zentimeter dicken Granulat-Schicht überzogen ist. Die sei etwa so weich wie Neuschnee, so dass der Landeroboter sogar Abdrücke hinterlassen habe. Der spätere Landeplatz Abydos ist dagegen so hart, dass "Philae" vergeblich versuchte, ein Messgerät in den Boden zu hämmern, auch Füße oder Eisschrauben seien nicht nennenswert in den Boden eingedrungen. Das berichten Forscher um Tilmann Spohn vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln.
Die Oberfläche ist dort vermutlich etwa 2000 Mal härter als am ersten Ort. "Vielleicht kann man es als größte Überraschung des Kometen bezeichnen, dass Abydos einen so harten Boden hat", erläutert Spohn in einer DLR-Mitteilung. "Wir hätten es wohl nie gewagt, eine Landung in einem so rauen Gelände wie Abydos zu versuchen", sagt der "Philae"-Projektleiter Stephan Ulamec vom DLR.
Wenig überraschend sind dagegen die Temperaturen auf 67P/Tschurjumow-Gerassimenko. Sie lagen wie erwartet zwischen minus 180 und minus 140 Grad Celsius. Zudem besitzt der Komet kein eigenes messbares Magnetfeld. Für die Kometenforscher ist das eine wichtige Erkenntnis bezüglich ihrer Modelle zur Entstehung dieser Himmelskörper.
Erkenntnisse fĂĽr kĂĽnftige Missionen
Philae war im November auf dem Kometen gelandet – nach zehnjähriger Reise mit der Raumsonde Rosetta. Vorher waren Kometenforscher fast einhellig der Meinung, der Landeroboter werde auf weichem Boden landen. "Stattdessen sind wir mehrfach abgeprallt, nachdem die Harpunen des Landers nicht auslösten, um den Lander im Boden zu verankern", stellt Jens Biele vom DLR fest. Warum die Harpunen nicht funktionierten, ist nach DLR-Angaben noch nicht geklärt.
Die ersten Bilder vom Kometen nach der Landung von Philae (14 Bilder)
(Bild: ESA/Rosetta/Philae/CIVA)
Der Verlauf der Landung und die Messungen der Instrumente sollen auch bei der Planung zukünftiger Missionen helfen. So hat nach DLR-Angaben etwa die US-Raumfahrtbehörde NASA Interesse, die Erkenntnisse der ersten Kometenlandung zu nutzen. "Wir haben auf jeden Fall eines mit dieser ersten Kometenlandung gelernt", sagt Ulamec. "Das Abprallen ist ein größeres Problem als das mögliche Versinken im Boden." (mho)