EU-Gesetz zur Lizenzierung von Online-Musik gefordert
Die derzeitigen Lizenzierungspraktiken für Online-Musik in Europa sind vertrackt. Die GEMA und sieben andere Verwertungsgesellschaften drängen Brüssel, einen einheitlichen Rahmen für die kollektive Verwaltung von Urheberrechten in Europa zu schaffen.
Die GEMA und sieben andere Verwertungsgesellschaften drängen Brüssel, einen einheitlichen Rahmen für die kollektive Verwaltung von Urheberrechten in Europa zu schaffen. "Die einzelnen Verwertungsgesellschaften wollen nicht zerrieben werden auf dem sich rasant entwickelnden europäischen Informations- und Musikmarkt", erklärte der Vorstandsvorsitzende der deutschen Musikverwertungsgesellschaft, Harald Heker, im Rahmen eines Empfangs auf der Musikmesse MIDEM in Cannes. Daher seien klare Vorgaben aus Brüssel für die Lizenzierung etwa von Online-Musik nötig. Zugleich betonte Heker, dass die GEMA bewusst auch kleinere Schwestergesellschaften in die Initiative einbezogen habe. Es gehe schließlich um die Bewahrung der kulturellen Vielfalt in Europa.
Mit an Bord der temporären Interessensvereinigung sind AKM Österreich, Artisjus Ungarn, AUME Österreich, KODA Dänemark, STEF Island, STIM Schweden und TONO Norwegen. "Die Anwendung des derzeitigen europäischen Wettbewerbsrechts wird den Besonderheiten des geistigen Eigentums kaum gerecht", begründete Artisjus-Chef András Szinger die Beteiligung der Ungarn an dem Vorstoß. Sein schwedischer Kollege Kenth Muldin appellierte an die EU-Kommission, "das Projekt zur Erreichung einer europäischen Richtlinie aufzugreifen und voranzutreiben".
Die bisherigen EU-Bestimmungen regeln die Bedingungen der Wahrnehmung und Durchsetzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte im europäischen Wirtschaftsraum nicht konkret. Dadurch haben sich die Gesetzgebung und die Praxis der Lizenzierung in den Mitgliedsstaaten auf unterschiedliche Weise entwickelt. Ein europäischer Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, denen eine urheberrechtliche Nutzungserlaubnis zugrunde liegt, kann aber nach Ansicht der acht Urhebervertretungen ohne eine gemeinsame rechtliche Basis nur schwer entstehen. Dies gelte insbesondere für die Entwicklung des Online-Sektors auf dem Gebiet der Musik. Diese könnte durch die Harmonisierung des Wahrnehmungsrechts "deutlich gefördert werden".
Die derzeitigen Lizenzierungspraktiken in Europa sind vertrackt. Beim Download eines Musikstücks ist etwa zwischen zwei Rechten zu unterscheiden, dem zur Vervielfältigung und dem für das "öffentliche Zugänglichmachen". Hinter diesen Ansprüchen stehen meist jeweils verschiedene Verwertungsgesellschaften und Rechteinhaber, die etwas vom kleinen Kuchen von rund 99 Cent pro verkauftem Titel abhaben wollen. Die EU-Kommission hatte daher 2005 eine erste "Empfehlung" ohne Gesetzescharakter für eine einheitlichere Vergabe von Online-Musikrechten abgegeben. Damit sollten etwa territoriale Beschränkungen und den Kundenkreis eingrenzende Bestimmungen in bestehenden Lizenzverträgen mit Verwertungsgesellschaften aufgehoben und der Wettbewerb angefacht werden.
Unter anderem das EU-Parlament wertete diese Initiative aber als Signal an die Rechteinhaber, das von ihnen kontrollierte so genannte "internationale Repertoire" aus dem Netz nationaler kollektiver Verwertungsgesellschaften herauszunehmen und es in die Hände einer oder sehr weniger großer Verwertungsgesellschaften mit einem ausschließlichen Mandat zur EU-weiten Rechtevertretung zu geben. In der Praxis komme es zu einem Oligopol mit konzentrierter Marktmacht in den Händen einiger weniger großer Rechteinhaber und einer entsprechenden Anzahl großer Verwertungsgesellschaften. Dies stelle eine ernste Gefahr für die viel beschworene kulturelle Vielfalt in Europa dar.
Diesem Eindruck wollen die GEMA und ihre Partner entgegenwirken und die bei der Kommission laufenden Überlegungen zum Schaffen eines Gesetzesrahmens beschleunigen. Parallel bemühen sich Online-Musikanbieter, Musikverlage und Verwertungsgesellschaften an einem Runden Tisch in Brüssel, ein praktikableres Lizenzsystem zu schaffen. Dabei will die Branche etwa ein Standardverfahren entwickeln, mit dem Informationen über Rechteinhaber und Konditionen für die Lizenzierung besser zugänglich und für alle Marktteilnehmer einsehbar werden. Zum anderen sollen die technischen Plattformen für die Rechtevergabe aufeinander abgestimmt werden.
In diesem Zusammenhang haben sich die großen Musikrechtsorganisationen GEMA, CELAS, PAECOL, die britische PRS for Music und SACEM aus Frankreich Anfang des Jahres darauf verständigt, künftig für eingehende Meldungen über Verkäufe von lizenzierten Online-Musikvertrieben einheitlich den Übermittlungsstandard DDEX (Digital Data Exchange) zu nutzen. Dieser soll durch standardisierte XML-Übermittlungsformate den Datenaustausch innerhalb von Geschäftsprozessen mit digitalen Medieninhalten verbessern. (jk)