EU-Kommissarin will Netzneutralität im EU-Recht verankern

Neelie Kroes, in der EU-Kommission für die digitale Agenda zuständig, hat Kernpunkte ihres geplanten Regulierungsvorschlags vorgelegt – und auch gleich Kritik dafür geerntet.

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Von
  • Monika Ermert

"Wenn die Netzneutralität nicht im EU-Recht verankert wird, könnten innovative Dienste bald an den Grenzen der EU gestoppt werden", sagte die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Neelie Kroes, am Dienstag in Brüssel. In einem Workshop des EU-Parlaments stellte Kroes Einzelheiten eines geplanten Regulierungsvorschlags vor. Überzeugen konnte die Kommissarin damit die Anwesenden nicht: Vertreter von Content-Anbietern, Nicht-Regierungsorganisationen und Universitäten kritisierten die Vorschläge als wachsweich und zu wenig ambitioniert.

Die Kernpunkte des geplanten Vorschlags, den Kroes demnächst als Teil eines größere Pakets zum Telekommunikationsmarkt in der Kommission zur Verabschiedung vorlegen will, sind nicht wirklich neu. So will Kroes klarere Vorgaben und eine bessere Durchsetzung des Transparenzgebotes. Hier gebe es ein echtes Problem, wie eine Studie des Gremiums der europäischen Regulierungsbehörden (BEREC) gezeigt habe. Bei einem von fünf Festnetzanschlüssen und jedem dritten Mobilfunkanschluss in der EU würden Dienste blockiert. Künftig soll es nicht ausreichen, darauf im Kleingedruckten hinzuweisen. Auch Behinderungen bei einem Wechsel des Providers will die Kommissarin abstellen.

Kroes sprach sich gleichzeitig auch für ein allgemeines Recht auf Innovation aus. Wenn jemand für mehr Bandbreite mehr bezahlen wolle, habe sie sich nicht einzumischen. Es sei klar, dass jemand für Geräte, die höhere Bandbreiten unterstützten, auch bessere Konnektivität wolle. Damit sprach die Kommissarin den Netzbetreibern aus dem Herzen. Christof Steck, Director Public Policy & Internet von Telefónica, warnte davor, allen ICT-Anbietern Innovationsfreiheit zuzugestehen, die Netzbetreiber aber einer engmaschigen Ex-Ante-Regulierung zu unterziehen.

"Lassen Sie uns über das Problem Providerwechsel sprechen", sagte Steck, der Kunden, die sich über die Drosselpläne der Deutschen Telekom ärgerten, gleich einlud: "Kommen Sie doch zu uns!" Netzwerkmanagement bleibe aber wichtig für die Provider. Er war sich mit Kroes auch darin einig, dass Management unverzichtbar sei. In Spitzenlastphasen und auch im Bereich Sicherheit seien diese im Sinne der Nutzer, unterstrich Kroes.

Die ins Feld geführte Explosion von Datenverkehr in Europa gebe es einfach nicht, konterte Christopher Marsden, Jurist von der Universität Sussex, und warnte vor einer Regulierung auf der Basis falscher Tatsachen. Im Festnetzbereich sei der Datenverkehr nur um "unterdurchschnittliche" 21 Prozent gewachsen, im Mobilfunkbereich seien es zwar 68 Prozent, doch die verstärkte Übergabe mobiler Daten ans Festnetz mildere auch dies ab.

Marsden warnte davor, nach Jahren der Diskussion bei "Netzneutralität light" stehen zu bleiben. Entscheidend sei es zu verhindern, dass künftige superschnelle Netze zu Privatstraßen für spezielle Diensteangebote gemacht werden. Die Deutsche Telekom sei der perfekte Beispielfall. Statt weiter über Netzneutralität zu diskutieren, müsse über das Internet als Universaldienst und die allgemeine Transportverpflichtungen im öffentlichen Netz diskutiert werden.

Die versammelten BĂĽrgerrechtsorganisationen von EDRI ĂĽber LaQuadrature du Net bis Access, die VerbraucherschĂĽtzer von BEUC, Inhalteanbieter wie die European Game Developer Federation oder die BBC appellierten ebenfalls fĂĽr rasche gesetzliche Regeln, um zu verhindern, dass konkurrierende, nicht zahlende oder einfach unliebsame Dienste von den schnellen Netzen ausgesperrt bleiben.

Auch die drei Vertreterinnen des Parlamentes, von konservativ bis grün, waren sich einig, dass Transparenzverpflichtungen allein nicht mehr ausreichen. Amalia Andersdotter (Piraten/Grüne) sagte, technisch und politisch könne Netzneutralität auch in Zukunft abgesichert werden. Was noch fehle, sei der politische Wille. "Das Problem ist, dass die Kommission sich immer noch nicht wirklich dafür entschieden hat." (anw)