EU-Parlament verabschiedet Richtlinie zu Verwertungsgesellschaften
Bei der Verabschiedung der Richtlinie für Verwertungsgesellschaften herrschte seltene Einigkeit zwischen Piraten und urheberrechtsfreundlichen Parteien im EU-Parlament. Beim Umbau des Urheberrechts ist das aber nur der erste Schritt.
Mit einer beim Streitthema Urheberrecht ungewöhnlich satten Mehrheit (640 von 680 Stimmen) hat das Europäische Parlament die seit Mitte 2012 diskutierte Richtlinie über die „kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt“ verabschiedet.
Den Verwertungsgesellschaften in der Union werden damit mehr Transparenzpflichten, den Künstlern mehr Wahlmöglichkeiten verschafft, lobten Vertreter der Fraktionen den Bericht der französischen Abgeordneten Marielle Gallo. Gleichzeitig gab es allerdings Kritik für das Schneckentempo, mit dem die Kommission bei der Anpassung des Urheberrechts an die Informationsgesellschaft insgesamt vorankomme.
Über Jahre hatte die EU Kommission auch auf eine Reform der Verwertungsgesellschaften in deren eigener Regie gesetzt. Nach dem Bekanntwerden von Korruption und Missmanagement bei einzelnen Verwertern soll die Richtlinie Verbesserungen für Künstler, Nutzer und Anbieter von Plattformen in Europa bringen. Mehr Mitbestimmungsrechte für Künstler und ein Wahlrecht, welche Gesellschaft sie vertritt, soll für Wettbewerb unter den Verwertern in Europa sorgen.
Verwertungsgesellschaften sollen sich öffnen
Über Einnahmen und ausgeschüttete Beträge muss transparent Auskunft gegeben werden, eine Ausnahmeregel für kleinere Verwertungsgesellschaften strich das Parlament. Ausgeschüttet werden soll laut einem Sprecher von Gallo "unverzüglich und spätestens neun Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres" in dem die Einnahmen aus den Rechten angefallen sind.
Die Nutzer sollen von den vorgesehenen Mehrgebietslizenzen profitieren. Verwertungsgesellschaften können die Vertretung von Musikrepertoires im Rahmen von Mehrgebietslizenzen, sofern sie ohnehin bereits solche haben, nicht mehr entziehen. Mit der Vereinfachung der Rechteabwicklung für Online-Musikplattformen soll nicht zuletzt „auch ein Beitrag zur Reduzierung von illegalen Musikkopien geleistet werden“, heißt es im heute verabschiedeten Text.
Gallo sagte mit Blick auf die Piratenpartei, die erzielte Einigkeit zeige, dass das Urheberrecht "keine Barriere für die digitale Wirtschaft“ sein müsse. Begrüßt wurde von vielen Abgeordneten auch, dass die Verwertungsgesellschaften sich endlich alternativen Lizenzen, wie Creative Commens, öffnen müssen. Die sei vor allem für junge Künstler wichtig.
Erst verschleppt, dann übereilt
Kritik am Entwurf gab es lediglich aus dem Handelsausschuss des Parlaments. Dort fürchtet man, dass den Mitgliedsstaaten zu viel Spielraum bei der Entscheidung bleibt, ob und wie sie die Musikvermarktern aus Drittstaaten den neuen Regeln unterwerfen. Damit habe man ein Einfallstor für die Direktverwerter geschaffen, warnte Helmut Scholz (Linke), Berichterstatter für den mit beratenden Handelsausschuss. Diskriminierungen gegenüber EU-Anbietern könnten freilich auch einen „Offshoring-Effekt“ haben.
Die Hauptkritik heute im Parlament konzentrierte sich jedoch auf Binnenmarktskommissar Michel Barnier. Die Kommission habe die Novellierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft verschleppt. Gleichzeitig kritisierten die Abgeordneten die kurze Fristsetzung für Antworten auf die Konsultation zur Neufassung der Urheberrechtsrichtlinie, die im Dezember noch schnell auf den Weg gebracht wurde.
Barnier hat mittlerweile die Frist für die Anhörung um einen Monat verlängert und gab sich reumütig. Gleichzeitig verwies er auf den jetzt zum Ende der Legislaturperiode doch noch ambitionierten Zeitplan seiner Generaldirektion. Bis im Juni wolle er ein White Paper zur Urheberrechtsnovelle vorlegen. Zugleich wolle er aber auch bei der Bekämpfung illegaler Inhalte vorankommen. Dafür sollen Maßnahmen zur „Notification and Action“, also Take-Down-Regeln für illegale Inhalte, fest gelegt werden. Spätestens dann dürfte es mit der Einigkeit im Parlament wieder aus sein. (axk)