EU will 2015 die elektronische Grenzkontrolle testen

Die Agentur EU-Lisa soll von März bis September eine Pilotstudie für ein elektronisches Ein-/Ausreisesystem mit Fingerabdrücken und Gesichtserkennung durchführen. Die CIA fürchtet um die Legenden ihrer Agenten.

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EU will 2015 die elektronische Grenzkontrolle testen

Die Kontrollen müssen überall klappen, etwa auch in Häfen.

(Bild: Dirk Ingo Franke, CC BY-SA 2.0 DE)

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Der EU-Rat und die Brüsseler Kommission wollen bei der geplanten elektronischen Grenzkontrolle weiter Fakten schaffen. Auf Basis einer im Herbst bekannt gewordenen Machbarkeitsstudie für das umstrittene "Smart Borders"-Paket soll die in Estland beheimatete EU-Agentur für den Betrieb von IT-Großsystemen EU-Lisa zwischen März und September ein Pilotprojekt für das anvisierte Ein-/Ausreisesystem sowie das parallel vorgesehene Vorzugsprogramm für Vielreisende auf die Beine stellen und gründlich testen.

Das Vorhaben hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten (Coreper) vor Kurzem abgesegnet, wie aus einem nun veröffentlichten Ratspapier hervorgeht. Die Kosten für die Pilotstudie werden darin mit 3,5 Millionen Euro angegeben. Das gesamte Paket steht derzeit mit 1,35 Milliarden Euro im Plan, von denen vor allem Hersteller biometrischer Systeme profitieren dürften.

Die Machbarkeitsanalyse hatte ergeben, dass die von der Kommission vorgesehene Abnahme von zehn Fingerabdrücken bei Einreisenden aus Drittstaaten in ein EU-Land vor allem an Kontrollstellen mit Autoverkehr zu zeitaufwändig sein könnte. Beim Testlauf soll die EU-Lisa daher auf diesen Aspekt besonders achten und auch Versuche mit einem Gesichtsbild als biometrischem Merkmal in Kombination mit acht oder vier Fingerabdrücken machen. Eine reine Gesichtserkennung bringt der Auftrag etwa für "Durchreisende" beim Anlegen von Kreuzfahrtschiffen ins Spiel.

Eingesetzt werden soll die "letzte Generation an Fingerabdruckscannern" genauso wie entsprechende kontaktlos arbeitende Geräte oder gegenwärtige automatische Grenzkontrollsysteme wie das hierzulande eingesetzte EasyPass. Auch Informationen aus der vollständigen bisherigen Identifizierungskette wie elektronisch lesbaren Reisedokumenten oder das bestehende Visa-System seien einzubeziehen.

Generell soll die IT-Agentur Auswirkungen potenzieller technischer Verfahren im Hinblick auf Zeitbedarf, Sicherheit und Verfahrenslösungen im Blick behalten. Dabei müsse es möglich sein, die Qualität der erfassten Biometriedaten zu messen. Zu adressieren seien die "breitestmöglichen Varianten an Situationen des Grenzübergangs an Flughäfen sowie bei Einreisen auf dem Land oder von der See aus in unterschiedlichen klimatologischen Umständen und verschiedenen Verkehrsmodalitäten und -aufkommen. Prozesse sollten bestenfalls "Ende zu Ende" simuliert werden, um spätere Zeitaufschübe und Budgeterhöhungen wie etwa beim Aufbau des neuen Schengen-Informationssystems zu vermeiden.

Das Datenschutzrecht sei vollumfänglich zu beachten, heißt es weiter. Der EU-Datenschutzbeauftragte sowie gegebenenfalls nationale einschlägige Kontrollbehörden sollten einbezogen werden. Abzurunden seien die technischen Tests durch qualitative Forschung etwa durch das Befragen von Reisenden oder Grenzpolizisten, falls sich dies als angemessen herausstelle. Den Mitgliedsstaaten soll es unbelassen bleiben, eigene Prüfungen ergänzend oder zu anderen, nicht abgedeckten Sachverhalten durchzuführen.

Mit der Pilotstudie möchte Brüssel dem EU-Parlament und dem Rat eine Grundlage für eine fundierte Entscheidung über das Gesetzesvorhaben geben. Eine Einigung zwischen Abgeordneten und Regierungsvertretern in 1. Lesung wird weiter für Mitte 2016 angestrebt, sodass die Mitgliedsstaaten danach mit dem eigentlichem Systemaufbau starten könnten.

Ein wenig Sorge vor dem biometrischen Aufrüsten bei der Grenzkontrolle haben derweil Geheimdienste wie die CIA. Obwohl das geplante EU-System viele Anleihen bei seinem US-Vorbild nimmt, blicken US-Spione skeptisch auf den internationalen Trend zum verstärkten Biometrieeinsatz. Dies geht aus zwei Geheimdokumenten der CIA hervor, die Wikileaks jüngst publiziert hat.

Darin instruiert der US-Geheimdienst seine Agenten auch, was sie bei möglichen Einzelbefragungen durch Grenzschützer sagen sollten. So sei etwa darauf zu achten, auf die Deckidentität passende E-Mails und Zugangsdaten für Profile in sozialen Netzwerken mitzuführen, um die eigenen Legenden zu untermauern. Zufrieden stellt die CIA zudem fest, dass es Europa vor allem um das Bekämpfen unerwünschter oder illegaler Migration gehe, nicht gezielt um das Aufspüren von Spionen. (mho)