Eklat um die Stiftung Datenschutz im Bundestag
Vertreter der Opposition und der Regierungskoalition haben sich im Parlament gegenseitig vorgeworfen, die Einrichtung eines unabhängigen Daten-TÜVs zu verhindern. Für SPD und Grüne ist aus dem Prestigeobjekt ein "schlechter Witz" geworden.
Vertreter der Opposition und der Regierungskoalition haben sich im Bundestag am Donnerstag gegenseitig vorgeworfen, die Einrichtung eines unabhängigen Daten-TÜVs zu verhindern. Was die schwarz-gelbe Koalition aus ihrem "groß angekündigten Prestigeobjekt Stiftung Datenschutz" gemacht habe, "ist ein schlechter Witz", beklagte Gerold Reichenbach von der SPD-Fraktion in den zu Protokoll gegebenen Redebeiträgen über einen Antrag (PDF-Datei) von Sozialdemokraten und Grünen zu Nachbesserungen bei dem Konzept. Daten- und Verbraucherschützer hätten sich gemeinsam mit den Vertretern der Oppositionsfraktionen "aufgrund von fehlender Unabhängigkeit und Neutralität" der derzeitigen Konstruktion aus dem Beirat zurückgezogen.
Das Gremium sei so angelegt, dass die Dominanz "von den Vertretern der Lobbyverbände" erdrückend sei, führte der SPD-Innenpolitiker aus. Vom ursprünglichen Gedanken einer unabhängigen Einrichtung zur Förderung des Datenschutzes bleibe nur ein Torso übrig, der allenfalls sein "Selbstbelobigungssiegel" herausbringen könne. Dabei seien die Probleme im Bereich Datenschutz drängender denn je.
"Niemand will das von Ihnen vorgestellte Konzept", bei dem es allein um eine "Feigenblattveranstaltung" gehe, hielt der grüne Innenexperte Konstantin von Notz der Koalition vor. "Fast alle haben sich dagegen gewandt, jüngst sogar der TÜV." Ähnlich eindeutig sei die Absage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. "Sie haben die Stiftung sehenden Auges an die Wand gefahren", nun gehe es noch "mit dem Kopf durch die Wand", erklärte von Notz in Richtung Regierung. Dem Grundrechtsschutz der Bürger werde damit ein Bärendienst erwiesen.
Im Kern müsse bei dem geplanten Daten-TÜV die Etablierung eines "Gütesiegel- und Auditierungsmarktes" für datenschutzrechtlich einwandfreie Produkte und Verfahren auf Bundesebene im Vordergrund stehen, unterstrich der Grüne. Der daraus erwachsende Mehrwert für Unternehmen und Verbraucher sei unstrittig. Einzelne Bundesländer wie Schleswig-Holstein gingen hier auch bereits mit gutem Beispiel voran. Gesetzliche Grundlagen seien aber die notwendige Voraussetzung dafür, "dass das Verhältnis entsprechender Angebote zum ordnungsrechtlichen Rahmen rechtssicher abgegrenzt werden kann". Vertrauen in eine solche Vergabestelle hänge von deren unabhängigen Ausgestaltung ab.
"Nur Sie haben offenbar den Aufprall noch nicht gehört", wandte sich auch Jan Korte von den Linken an die Koalition. Die Stiftung sei so zusammengezimmert worden dass es "vor Konstruktionsfehlern nur so kracht". Da könne man nicht von Datenschützern oder der Opposition erwarten, bei der "Mogelpackung" noch mitzumachen. Ein Etat von rund 250.000 Euro jährlich reiche hinten und vorne nicht, um ernsthaft arbeiten zu können.
Stephan Mayer betonte im Namen der CDU/CSU-Fraktion dagegen, dass der Daten-TÜV im ersten Quartal 2013 in Leipzig seine Arbeit aufnehmen werde und die Koalition damit einen "äußerst wichtigen Beitrag für einen modernen und zukunftsfähigen Datenschutz in Deutschland" geleistet habe. Zentral sei etwa die Verbesserung des Selbstdatenschutzes und die Sensibilisierung der Bürger für Chancen und Risiken im Umgang mit ihren persönlichen Daten.
Die Stiftung könne als "unabhängiger Akteur" über Vor- und Nachteile möglicher Geschäftsmodelle informieren und ein Zertifizierungsverfahren entwickeln, meinte der CSU-Politiker. Der Beirat sei "vielseitig besetzt" und beziehe das "Maximum an Sachverstand" im Datenschutzbereich ein. Mit 14 Sitzen von insgesamt 34 Mitgliedern könne dort von einer "Beschlussmehrheit" der datenverarbeitenden Wirtschaft keine Rede sein. Die Opposition rief Mayer auf, aus der "Schmollecke" herauszukommen und sich aktiv an dem Prozess zu beteiligen.
"SPD und Grüne haben die Marktwirtschaft nicht verstanden", wetterte die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz. Bei dem Antrag handle es sich um "kindisches Trotzgehabe". Keine Bundesregierung, an der SPD und Grüne beteiligt waren, habe je ein Gütesiegel für den Datenschutz auf den Weg gebracht. Jetzt ein neues Instrument für modernen Datenschutz zu boykottieren, zeige, dass es der Opposition nicht um die Sache gehe. Schwarz-Gelb habe mit der Stiftung und ihrer Anschubfinanzierung in Höhe von zehn Millionen Euro dagegen ein neues Instrument geschaffen hat, "mit dem wir den Herausforderungen der Informationsgesellschaft beim Schutz persönlicher Daten der Menschen begegnen". (mho)