Elektro-Doping im Radsport

Auf der Tour de France geht das Gespenst des Elektro-Dopings um. Illegale Hilfsmotoren lassen sich mittlerweile so gut verstecken, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Dem Alltagsrad könnte das neue Impulse geben.

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Velocity von CarboFibretec
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Inhaltsverzeichnis

Wer sich die pummeligen Pedelecs im Straßenbild anschaut, der kann kaum glauben, dass sich Elektroantriebe wirklich unsichtbar in ein Sportgerät integrieren lassen. Doch das sogenannte Elektro-Doping macht den Sportverbänden tatsächlich große Sorgen, wie das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 7/2016 berichtet (jetzt am Kiosk oder hier zu bestellen).

Einen Präzedenzfall gibt es schon: Am 30. Januar fanden Kontrolleure einen Motor in einem Rad der belgischen Querfeldein-Spezialistin Femke Van den Driessche. Schon vorher galt es in der Szene als offenes Geheimnis, dass allein auf der Tour de France rund ein Dutzend Fahrer mit illegaler Antriebshilfe unterwegs sein dürften. „Es herrschte totale Alarmstimmung vor dem Start. Viele Teammanager haben mit mir gesprochen, dass man endlich etwas tun muss“, sagte Jean-Pierre Verdy, bis 2015 Direktor des Kontrollbereichs der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, in einem Interview mit dem Magazin „Tour“. Er habe den Radsport-Weltverband UCI informiert. „Aber der hat sich darauf konzentriert, die Räder zu wiegen. Wir standen da und konnten nichts tun.“

Dabei ist der „Vivax Assist“-Motor, der im Rad der Belgierin gefunden wurde, bereits seit zehn Jahren frei verkäuflich. Er sitzt im Sattelrohr und treibt über ein Winkelgetriebe die Kurbelwelle an. Der Akku steckt normalerweise in einer kleinen Satteltasche oder in einer Trinkflaschenhalterung. Mit etwas Geschick lässt er sich aber auch unsichtbar im Rahmen verstecken. Aktiviert wird er über Kabel oder – ebenfalls unsichtbar – über Funk.

Weil der Motor so klein ist, bringt er relativ wenig Drehmoment auf. Am besten funktioniert er bei sportlichen 75 bis 90 Kurbelumdrehungen pro Minute. Für Alltagsradler kommt er deshalb eher nicht infrage. Beliebt ist er hingegen bei Radsportlern, um beispielsweise die Leistungsunterschiede bei Sportlerpärchen auszugleichen.

Um einen Motor dieser Bauart zu entdecken, würde eigentlich ein Blick ins Sattelrohr genügen. Doch der stand bisher nicht auf dem technischen Prüfplan. Zwar werden bei großen Radrennen Gewicht und Rahmengeometrie stichprobenartig überprüft, aber eine systematische Kontrolle aller Sportgeräte, wie etwa in der Formel 1, war bisher nicht vorgesehen. So können Fahrer beispielsweise unbehelligt während eines Rennens zu einem Ersatzrad greifen.

Am 6. Mai zeigte der UCI erstmals, dass er das Thema ernst nimmt: Beim Prolog zum Giro d’Italia untersuchten Techniker die Fahrräder aller teilnehmenden Fahrer, auch die Ersatzräder. Sie nutzten den eingebauten Magnetfeldsensor des iPads, der sonst als elektronischer Kompass dient, um das Magnetfeld jedes Fahrrads abzuscannen. Störungen können auf einen Motor hinweisen.

Der Aufwand scheint berechtigt, denn über der Branche schwebt schon das Phantom eines neuen, noch effizienteren Antriebs, der sich mit bloßem Auge kaum noch entdecken lässt. Die italienische Sportzeitung „Gazzetta dello Sport“ berichtete über einen geheimnisvollen Industrie-Guru, der angeblich elektromagnetische Laufräder für bis zu 200.000 Euro vertreiben soll. Weitere Nahrung bekam das Gerücht im April 2016 durch einen Beitrag des Senders France TV. Er machte bei mehreren Rennen Wärmebildaufnahmen. Bei einigen Rädern zeigten sich dabei erhöhte Temperaturen im Tretlagerbereich oder in der Hinterradnabe.

Technisch gesehen sind solche magnetischen Laufräder längst keine Spekulation mehr. Das Friedrichshafener Unternehmen CarboFibretec hat im letzten Jahr mit dem Velocité ein E-Bike vorgestellt, das genau nach diesem Prinzip funktioniert. „Wir haben den klassischen Elektromotor zerlegt“, sagt Thomas Leschik, CTO von CarboFibretec. Als Rotor dient das Carbon-Hinterrad mit 128 eingebetteten Dauermagneten. Der Carbonrahmen umschließt das Hinterrad über eine Länge von 30 Zentimetern wie ein Schutzblech. Dort verstecken sich die Stator-Spulen. Der Akku sitzt im Unterrohr.

Das Carbonrad leistet 500 Watt. Der große Durchmesser des Rotors bringt zudem enormes Drehmoment. Doch das Design des Rahmens ist zu auffällig für Elektro-Doping. Wäre der Motor auch in einen herkömmlichen Rahmen zu integrieren? Für die Spulen des Stators blieben dann höchstens sechs Zentimeter Platz. Das würde nur für 20 bis 60 Watt reichen – aber diese Werte werden im Zusammenhang mit den ominösen Laufrädern tatsächlich kolportiert. Nicht viel Leistung fürs Geld, aber beim Sprint oder bei steilen Anstiegen könnten ein paar Watt mehr oder weniger über die Platzierung entscheiden. Leschik glaubt allerdings, dass dieser Vorteil den großen Entwicklungsaufwand nicht rechtfertigt.

Auch wenn über den illegalen Einsatz dieser Magneträder bei Rennen derzeit nur spekuliert werden kann – ein legaler Einsatz ist durchaus absehbar. Noch ist das Velocité zwar ein Forschungsprojekt, CarboFibretec will das Rad aber irgendwann zu erschwinglichen Preisen herstellen. (grh)