Erdbeben in Japan: Neues schweres Beben und eine nukleare Katastrophe von Dauer [3. Update]

Im AKW Fukushima Daiichi ist die Situation in den havarierten Reaktoren ist aber keineswegs unter Kontrolle. Ein weiteres schweres Erdbeben erschüterte die bereits zerstörte Region; in AKWs soll es keine neuen kritischen Zerstörungen gegeben haben.

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Von
  • JĂĽrgen Kuri

Dreieinhalb Wochen nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 9 und dem darauf folgenden Tsunami in Japan steigen die Opferzahlen immer noch. Derzeit gibt die japanische Polizei die Zahl der Toten mit 12.494 an. 15.107 Menschen werden vermisst. Dabei gilt immer, dass diese Zahlen weiter steigen können, da in einige Gegenden manche Ortschaften und Gemeinden noch immer nicht durchsucht wurden, es ganze Dörfer gibt, die komplett ins Meer gespült wurden. Außerdem wurde die Suche in der 20-km-Evakuierungszone rund um das AKW Fukushima Daiichi unterbrochen, da die Suchmannschaften keiner radioaktiven Belastung ausgesetzt werden sollen. Die Situation der Betroffenen in den Erdbebengebieten, die in Notunterkünften und Zeltlagern Unterschlupf fanden, bessert sich nur langsam, da es immer noch Probleme mit Wasser-, Nahrungs- und Stromversorgung gibt.

Im außer Kontrolle geratenen AKW Fukushima Daiichi mit seinem insgesamt 6 Reaktoren ist die Lage in den beschädigten und derzeit nur von außen zu kühlenden Reaktoren 1 bis 3 und in den Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente der Reaktoren 1 bis 4 noch lange nicht unter Kontrolle. Vielmehr gibt es immer wieder neue Schwierigkeiten und Notfälle, die zur radioaktiven Verseuchung der Umwelt führen und die Arbeiten an der Wiederherstellung der Kontrollfunktionen und der normalen Kühlsysteme erschweren. Die UN-Atombehörde IAEA spricht davon, die Situation in dem Kraftwerk bleibe weiterhin "sehr ernst". Nachdem am Wochenende bekannt geworden war, dass hoch radioaktiv kontaminiertes Wasser durch Lecks ins Meer abfloss, hieß es am 6. April 5:38 japanischer Zeit (21:36 mitteleuropäischer Zeit), dass die Lecks geschlossen worden seien. Es gelange derzeit kein radioaktives Wasser aus den Reaktorgebäuden und Schächten unterhalb der Reaktoren mehr ins Meer. Tokyo Electric Power hatte unter anderem Wasserglas in die Schächte gepumpt, in der Hoffnung, dadurch die Leckage, deren Ursache nicht genau festgestellt werden konnte, zu stoppen. Der Kraftwerksbetreiber wurde durch die japanische Atomaufsichtsbehörde aber verpflichtet, die Situation in den Schächten und im Meerwasser davor genau unter Beobachtung zu behalten, um austretendes radioaktives Wasser sofort festzustellen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Das Stopfen dieses Lecks bedeutet aber keineswegs, dass die Situation im AKW unter Kontrolle wäre. Die aktuelle Statusübersicht des japanischen Atomforums vom 6. April 16:00 japanischer Zeit (8:00 mitteleuropäischer Zeit) zeigt keine Veränderung bei den Reaktoren. Nach dem Beben kam es in den Reaktorgebäuden zu Stromausfall, was die Kühlsysteme lahmlegte. Explosionen zerstörten die Reaktorgebäude teilweise schwer, es gab zudem große Schäden am Containment; teilweise werden sogar Beeinträchtigungen der Reaktordruckbehälter vermutet. Durch die fehlende Kühlung wurden die Brennelemente in den Reaktoren 1 bis 3 beschädigt, die Reaktorkerne sind ganz oder teilweise freigelegt. Man muss weiter davon ausgehen, dass es teilweise Kernschmelzen gab, die Gefahr weiterer Kernschmelzen ist noch lange nicht gebannt. Die Kühlsysteme sind ausgefallen, es wird extern Wasser zur Kühlung zugeführt. Die Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe bei den Reaktoren 3 und 4 sind nicht ausreichend mit Kühlwasser versorgt, die Brennstäbe in den Becken teilweise beschädigt. Tokyo Electric Power plant, Stickstoff in die Containments der Reaktoren 2 und 3 einzuleiten, um neue Wasserstoffexplosionen zu verhindern. Die japanische Atomaufsichtsbehörde vermutet, dass die Reaktordruckbehälter dieser Reaktoren ihre Luftdichtigkeit verloren haben, da der Druck im Behälter stark abgesunken sei.

Die Stromversorgung zu den Reaktoren ist zwar wieder intakt, aber die Kontrollräume und die Sensoren arbeiten noch nicht wieder ausreichend, die normalen Kühlsysteme sind noch nicht wieder in Betrieb. Ob sie jemals wieder funktionieren, ist immer noch unklar, auch welche Reparaturarbeiten notwendig sind – bevor diese Arbeiten weitergeführt werden können, muss erst das von außen zugeleitete und mittlerweile radioaktiv verseuchte Kühlwasser, das sich auf dem Boden der Reaktorgebäude angesammelt hat, abgepumpt werden. Gleichzeitig muss aber neues Wasser zugeführt werden, um die Reaktoren zu kühlen. Im Wasser, das im Gebäude des Reaktors 2 und den nach außen führenden Kanälen steht, wurden Radioaktivitätswerte von mehr als 1000 MilliSievert pro Stunde gemessen. In Reaktor 4 wurden in Wasseransammlungen in Schächten gibt es Belastungen von 100 MilliSievert pro Stunde. Um das Wasser aus den Reaktorgebäuden abzupumpen, wurden 11.500 Tonnen schwach radioaktiven Wassers aus Tanks ins Meer abgelassen – da die Tanks voll waren, konnte kein weiteres Wasser aus den Reaktorgebäuden abgepumpt werden. Die Radioaktivität im ins Meer abgelassenen Wasser soll etwa 100-fach über dem eigentlich erlaubten Grenzwert gelegen haben. Die UN-Atomagentur IAEA hält eine radioaktive Dosis durch die natürliche Umweltstrahlung von 0,2 bis 0,3 MikroSievert pro Stunde (2,4 MilliSievert pro Jahr) für normal, in Deutschland liegt die natürliche Umweltstrahlung bei bis zu 0,2 MikroSievert pro Stunde (1,7 MilliSievert pro Jahr). Im Artikel Die unsichtbare Gefahr erläutert Veronika Szentpetery von Technology Review, was die erhöhten Strahlungswerte im AKW Fukushima Daiichi und in der Umgebung bedeuten. Die Süddeutsche Zeitung hat eine grafische Aufbereitung veröffentlicht, wie und wo einzelne Radioaktivitätswerte auftreten und welche gesundheitlichen Auswirkungen sie haben können.

In einer Meerwasser-Probe, die in der Nähe des AKW Fukushima Daiichi genommen wurde, sind stark erhöhte Konzentrationen von radioaktiven Isotopen gemessen worden. Laut Tokyo Electric Power lag die Konzentration von Jod-131 bei 300.000 Becquerel pro Kubikzentimeter, das sei 7,5 Millionen Mal über dem erlaubten Grenzwert. Eine weitere Probe soll eine Konzentration von Cäsium-137 aufgewiesen haben, die 1,1 Millionen Mal über dem erlaubten Grenzwert lag. In Kleinen Sandaalen, die vor der Küste von Ibaraki gefangen wurden, sind Konzentrationen radioaktiver Substanzen gefunden worden, die oberhalb der Grenzwerte liegen. Laut der Präfektur von Ibaraki wurden bis zu 4.080 Becquerel Jod-131 pro Kilogramm gemessen. In einem anderen Fang lag die Dosis von Cäsium-137 bei 526 Becquerel pro Kilogramm. Der Grenzwert liegt bei 500 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm. Laut IAEA wurden in sieben Präfekturen Japans mittlerweile erhöhte Werte von radioaktiven Isotopen im Erdboden entdeckt; am 3. April reichten die Werte von 2,4 bis 82 Becquerel pro Quadratmeter für Jopd-131 und 5,2 bis 57 Becquerel pro Quadratmeter für Cäsium-137. Am 4. April lagen die Werte bei 3,1 bis 75 Becquerel (Jod-131) beziehungsweise bei 7,4 bis 46 Becquerel (Cäsium-137) pro Quadratmeter. Mittlerweile haben mindestens 25 Länder weltweit den Import von Gemüse und anderen Nahrungsmitteln aus Japan eingeschränkt oder ganz eingestellt, da sie Verseuchung mit radioaktiven Materialien aus Fukushima Daiichi befürchten; zuletzt hatte Indien bekannt geben, die Nahrungsmittelimporte aus Japan für ca. drei Monate einzustellen.

Der Kraftwerksbetreiber Tokyo Electric Power, der schon vor der Katastrophe durch Schlampereien und teilweise gefälschte Kontroll- und Testberichte aufgefallen war, gerät mittlerweile auch durch die IAEA unter Beschuss: "Rückblickend betrachtet, waren die Sicherheitsmaßnahmen, die der Betreiber ergriffen hat, nicht ausreichend, um den Unfall zu verhindern", kritisierte IAEA-Chef Yukiya Amano die Firma. Der IAEA-Chef, nicht gerade als Gegner der friedlichen Nutzung der Atomkraft bekannt, meinte zudem, die Weltgemeinschaft könne nicht wie bisher weitermachen. "Es ist offensichtlich, dass mehr für die Sicherheit von Atomkraftwerken getan werden muss, um das Risiko eines künftigen Unfalls signifikant zu reduzieren."

Während sich der deutsche IT-Branchenverband um die Zuliefersituation der deutschen Industrie mit elektronischen Bauteilen und Baugruppen sorgt, kämpft die japanische Industrie damit, die Produktion in möglichst vielen vom Beben betroffenen Bereichen wieder in Gang zu bringen. So geht auch Toyota davon aus, dass sich die Teilezulieferung wieder bessern wird und hofft, bis zum 18. April weitere Produktionswerke wieder öffnen zu können. Der Autohersteller hatte am 14. März, drei Tage nach dem Erdbeben, die Produktion in allen seinen japanischen Werken eingestellt und Ende März lediglich in zwei Werken wieder aufgenommen. Die Schwierigkeiten mit der Zulieferung von Teilen kann aber dazu führen, dass im Laufe des April noch alle US-Werke von Toyota die Arbeit zeitweise einstellen müssen. In Japan selbst kann nicht nur die Situation bei den Zulieferern, sondern auch die immer noch notwendigen zeitweisen Stromabschaltungen die Produktion stark behindern. Diverse japanische Firmen haben bereits ihre Umsatz- und Gewinnerwartungen aufgrund der Auswirkungen des Erdbebens und der Stromabschaltungen gesenkt.

[1. Update (7.4., 12:45): UN-Offizielle stufen die Schwere der Unfälle im AKW Fukushima Daiichi mittlerweile zwischen dem Unfall in Harrisburg (Three Mile Island) im Jahr 1979 und der Tschernobyl-Katastrophe im Jahr 1986 ein. Wolfgang Weiss, Chef des wissenschaftlichen Komitees der UN über die Effekte von Radioaktivität, meinte laut Kyodo News, die Situation in Fukushima habe nicht so weitgehende Auswirkungen wie der Unfall in Tschernobyl, sei aber weit ernster als die Vorfälle in Harrisburg. Im AKW Three Mile Island war es zu einer Kernschmelze gekommen. In Tschernobyl kam es zu schweren Explosionen eines Reaktors, bei denen große Mengen radioaktives Material in die Umwelt ausgesetzt wurden und sich über weite Teile Europas verteilten. Bis heute sind auch in einigen Regionen Deutschlands vor allem Pilze und Wildtiere stark radioaktiv belastet. Der Unfall in Harrisburg ist auf der International Nuclear Events Scale (INES) auf Stufe 5 (accident with wider consequences) eingeordnet, die Katatsrophe von Tschernobyl auf der höchsten Stufe 7 (major accident). Bislang betrachtet die japanische Nuklearaufsichtsbehörde die Vorgänge in Fukushima Daiichi als einen Unfall der Stufe 5. Angesichts der anhaltenden Probleme, die havarierten Reaktoren in dem Kraftwerk unter Kontrolle zu bekommen, und der weiter anhaltenden radioaktiven Verseuchung der Umwelt gehen Experten außerhalb Japans allerdings davon aus, dass der Unfall mindestens auf Stufe 6 (serious accident) eingestuft werden müsse.

Die Zufuhr von Stickstoff in den Reaktor 1 des Kraftwerks hat mittlerweile begonnen; innerhalb von 6 Tagen sollen insgesamt 6.000 Kubikmenter eingepumpt werden. Das Vorhaben dient dazu, mögliche Wasserstoffexplosionen, die durch die Hitze freiliegender Brennstäbe ausgelöst werden können, zu verhindern. Sowohl die japanische Atomaufsichtsbehörde NISA als auch Kraftwerksbetreiber Tokyo Electric Power bezeichnen dies als reine Vorsichtsmaßnahme, es gebe keine Hinweise auf eine akute Gefahr von Explosionen. Durch die Zufuhr von Stickstoff könne es aber zu einem erneut steigendem Ausstoß radioaktiver Substanzen aus dem Reaktor kommen, da der Druck im Reaktorbehälter wieder steige. Bislang hätten aber keine weiter erhöhten Werte festgestellt werden können. Die Explosionen, die die Reaktorgebäude in Fukushima Daiichi nach dem Erdbeben und der Flutwelle stark beschädigten und die Containments der Reaktoren und teilweise wohl auch die Dichtigkeit der Druckbehälter in Mitleidenschaft zogen, wurden laut der NISA von hohen Wasserstoffkonzentrationen hervorgerufen, die durch die Reaktion von Zirkonium aus geschmolzenen Brennstäben mit Dampf aus dem Kühlwasser entstanden. Tokyo Electric Power geht mittlerweile davon aus, dass in Reaktor 1 die Brennstäbe zu 70 Prozent beschädigt sind, in Reaktor 2 zu 30 und in Reaktor 3 zu 25 Prozent. Reaktor 4 war zu dem Zeitpunkt des Erdbebens nicht mit Brennstäben bestückt, hier macht allein das sehr stark gefüllte Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe Probleme. Die Reaktoren 5 und 6 sollen sich in einem stabilen Zustand ohne Beschädigungen befinden.

Derweil geht auch der kontrollierte Abfluss schwach radioaktiven Wassers ins Meer weiter, der größte Teil der vorgesehenen 11.500 Tonnen soll bis Donnerstagabend japanischer Zeit abgelassen sein, der Rest bis Samstag. Diese Leerung der derzeit vollen Tanks auf dem Gelände ist Voraussetzung dafür, hoch radioaktiv verseuchtes Wasser aus den Reaktorgebäuden abpumpen zu können – was wiederum die Voraussetzung dafür ist, die Arbeiten an der Wiederherstellung der Kontrollfunktionen und der normalen Kühlsysteme wieder aufnehmen zu können. Insgesamt können diese Arbeiten – und damit die Notwendigkeit, die Reaktionen über Zufuhr von Kühlwasser von Außen über Löschwagen und Wasserspritzen zu kühlen, noch Wochen oder Monate dauern. Nachdem das Leck, aus dem stark kontaminiertes Wasser ins Meer floss, gestopft werden konnte, sind die gemesenen Radioaktivitätswerte zwar gesunken, bleiben aber nach wie vor weit über den Grenzwerten. Proben, die am 6.4. 7:40 japanischer Zeit (5.4. 23:40 mitteleuropäischer Zeit) im Meer in der Nähe der Wasserzufuhr zu Reaktor 2 gezogen wurden, ergaben eine Belastung von 5.600 Becquerel Jod-131 pro Kubikzentimeter Wasser, 140.000 Mal über dem Grenzwert. Am Dienstag hatte die Dosis noch bei 11.000 Becquerel pro Kubikzentimeter gelegen. Am 2. April lagen die Messwerte noch 7,5 Millionen Mal über dem Grenzwert.

Die Zahl der Toten in Folgen von Erdbeben und Tsunami ist nach Angaben der japanischen Polizei auf 12.608 gestiegen, die Zahl der Vermissten liegt immer noch bei bei 15.073. Es sei kein Ende abzusehen für die steigenden Opferzahlen, hieß es von den Behörden.]

[2. Update (7.4., 17:10): Ein neues schweres Erdbeben der Stärke 7,4 hat am 7.4. 23:32 japanischer Zeit (15:32 mitteleuropäischer Zeit) die bereits vom ursprünglichen Beben zerstörte Regionen Japans erschüttert. Das Epizentrum des Erdbebens soll 40 km vor der Küste der Präfektur Miyagi gelegen haben. Eine Tsunami-Warnung wurde ausgegeben, die Bevölkerung solle sich ins Hinterland der Küste und der Flussmündungen begeben, hieß es im japanischen Fernsehsender NHK.

Laut Kraftwerksbetreiber Tokyo Electric Power wurden die Manschaften aus dem AKW Fukushima Daiichi evakuiert, um sie keinem Risiko auszusetzen; alle Mitarbeiter seien unverletzt. Bislang seien aber keine weiteren Schäden an den Reaktoren, den Abklingbecken oder den Gebäuden von Fukushima Daiichi und Fukushima Daini durch das neue schwere Beben entdeckt worden. Man überprüfe die Situation aber weiter und werde im weiteren Verlauf genauere Informationen bekanntgeben. Die Reaktoren 1 und 2 in Fukushima Daiichi seien bereits überprüft, sobald die Tsunami-Warnung aufgehoben sei, werde man auch die Reaktoren 3 und 4 genauer unter die Lupe nehmen. Bislang gebe es aber keien Anzeichen für über die vorhandenen Zerstörungen hinausgehende Schäden. Im Kraftwerk Fukushima Daini und anderen Kraftwerken sei die Situation zudem weiterhin stabil; es gebe auch in der gemessenen Radioaktivität keine neuen Auffälligkeiten. Im AKW Onagawa sollen zwar zwei von drei Notstromversorgungen für die Kühlungen ausgefallen sein, mit der verbleibenden Stromversorgung lasse sich das Kraftwerk aber noch unter Kontrolle halten.]

[3. Update (8.4., 9:50): Durch das Nachbeben der Stärke 7,4 in Japan gab es nach Angaben der japanischen Polizei insgesamt 3 Tote und 140 Verletzte. Die Stromversorgung in einigen Teilen der betroffenen Gebite fiel aus.

Ganz ohne Auswirkungen blieb das bislang stärkste Nachbeben auf die Situation in den Atomkraftwerken doch nicht. Im Atomkraftwerk Onagawa, betrieben von Tohoku Electric Power, fielen drei von vier externen Stromversorgungen aus, wie sich mittlerweile herausstellte. Dadurch wurde die Kühlung der Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente für 20 bis 80 Minuten unterbrochen; es soll aber in dieser Zeit zu keiner Überhitzung der Brennstäbe gekommen sein. Am Freitagmorgen japanischer Zeit konnte eine der ausgefallenen Stromversorgungen wiederhergestellt werden, alle Kühlsysteme arbeiten derzeit normal. Durch das Beben der Stärke 7,4 schwappte allerdings auch radioaktiv verseuchtes Wasser aus den nach oben offenen Abklingbecken in allen drei Reaktorgebäuden des Kraftwerks. Laut der Nachrichtenagentur Kyodo soll es sich aber um maximal 3,8 Liter gehandelt haben, die Belastung lag bei 5.410 Becquerel pro Kilogramm. Laut NHK habem man in dem Kraftwerk insgesamt fünf Wasserlecks entdeckt. Außerdem sei das Kontroll-Panel für den Druck im Reaktor im Turbinengebäude von Reaktor 3 beschädigt worden.

Beim Kraftwerk Higashidori, ebenfalls von Tohoku Electric Power betrieben, sind ebenfalls die Kühlfunktionen des Abklingbeckens kurzzeitig ausgefallen; ein Notfallgenerator übernahm die Stromversorgung, bis der Stromanschluss am frühen Freitagmorgen japanischer Zeit wiederhergestellt war. Das Kraftwerk mit einem Reaktor sei derzeit wieder in einem stabilen Zustand, das gleiche gelte für das Kraftwerk Onagawa, hieß es vom Betreiber. Die Vorfälle zeigen allerdings, dass die Situation durch weitere Nachbeben und darauf möglicherweise folgende Flutwellen auch in derzeit stabil heruntergefahrenen Kraftwerken kritisch werden kann.

Im AKW Fukushima Daiichi mit seinen havarierten Reaktoren 1 bis 3 und der kritischen Situation im Abklingbecken von Reaktor 4 wurden durch das neuerliche Beben keine weiteren Schäden verursacht, erklärte Betreiber Tokyo Electric Power. Die Arbeiten zum Abpumpen schwach radioaktiven Wassers aus den Tanks ins Meer und zum Einpumpen von Stickstoff in Reaktor 1 zur Vermeidung möglicher Wasserstoffexplosionen seien nach der Aufhebung der Tsunami-Warnung wieder aufgenommen worden. Die Situation im Kraftwerk Fukushima Daini sei auch nach dem erneuten Nachbeben unverändert stabil.]

Siehe zum Erdbeben in Japan und der Entwicklung danach auch:

Zu den technischen Hintergründen der in Fukushima eingesetzten Reaktoren und zu den Vorgängen nach dem Beben siehe:

  • Roboter und die Katastrophe in Japan
  • Lesen in den Isotopen, Spaltprodukte aus dem AKW Fukushima I finden sich inzwischen in aller Welt und erlauben Forschern neue Einblicke in den GAU in Fernost
  • Die unsichtbare Gefahr, Technology Review ordnet die Strahlenbelastungen im AKW Fukushima Daiichi und seiner Umgebung ein
  • Japan und seine AKW, Hintergrund zu den japanischen Atomanlagen und zum Ablauf der Ereignisse nach dem Erdbeben in Telepolis
  • Der Alptraum von Fukushima, Technology Review zu den Ereignissen in den japanischen Atomkraftwerken und zum technischen Hintergrund.
  • 80 Sekunden bis zur ErschĂĽtterung in Technology Review
  • Dreifaches Leid, Martin Kölling, Sinologe in Tokio, beschreibt in seinem, Blog auf Technology Review, "wie ein Land mit der schlimmsten Katastrophenserie der Menschheitsgeschichte umgeht".
  • 15 Meiler um eine Stadt, Martin Kölling berichtet direkt aus Japan: Atomingenieure in Tsuruga, der Stadt mit der höchsten Reaktorendichte der Welt, gruseln sich vor dem GAU in Fukushima
  • Mobilisierung im Netz: Auch in der Katastrophenhilfe ist das Internet zu einem mächtigen Instrument geworden, auf Technology Review

(jk)