EuGH-Generalanwalt: Netzsperren gegen einzelne Websites grundsätzlich zulässig
Der Provider UPC Telekabel sollte 2011 das Filesharing-Portal kino.to sperren und wehrte sich dagegen. Generalanwalt Pedro Cruz Villalón meint, dass eine Sperrung konkreter Internetseiten durch Provider möglich und europarechtlich geboten sein könnte.
Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat am heutigen Dienstag seinen Schlussantrag in einem vom Obersten Gerichtshof Österreichs vorgelegten Streitfall zu Netzsperren gegen Urheberrechtsverletzungen vorgelegt. In der Regel folgt der Gerichtshof in seiner Entscheidung den Ausführungen des Generalanwalts.
In der Sache ging es um den Wiener Internetprovider UPC Telekabel, den Constantin Film und die Filmproduktionsgesellschaft Wega im Jahr 2011 zur Sperrung der Seite kino.to verpflichten wollten. In den ersten beiden Instanzen bekamen die Filmfirmen Recht, der Oberste Gerichtshof der Alpenrepublik legte dem EuGH mehrere europarechtliche Auslegungsfragen vor.
Generalanwalt Pedro Cruz Villalón kommt zu dem Ergebnis, dass eine Sperrung konkreter Internetseiten durch die Internetzugangsanbieter grundsätzlich auf Antrag möglich und europarechtlich geboten sein könnte. Der Provider des Nutzers sei ein "Vermittler, dessen Dienste von einem dritten zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden". Dabei sei nicht erforderlich, dass der Zugangsanbieter mit dem eigentlichen Urheberrechtsverletzer eine direkte vertragliche Beziehung eingehe. Grundsätzlich seien Sperren durch Internetzugangsprovider eine Möglichkeit, das Urheberrecht durchzusetzen.
Netzsperren umgehen
Zwar könnten Nutzer simple Sperrmethoden technisch unter anderem mit alternativen DNS-Servern oder zusätzlichen Anbieteradressen umgehen. Aber "bei jedem Nutzer den Willen zu vermuten, trotz einer Sperrung Zugang zu einer Website zu erlangen, würde meiner Ansicht nach bedeuten, dass man bei jedem Nutzer unzulässig den Willen zur Förderung eines Rechtsbruchs annimmt", schreibt Villalón, und folgert: "Die Möglichkeit einer Umgehung einer angeordneten Sperrverfügung [steht] nicht grundsätzlich jeder Sperrverfügung im Wege".
Allerdings sieht Villalón auch einige Probleme im österreichischen Fall. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass es sich hier um einen "Testfall" handele und "in Zukunft zahlreiche ähnliche Fälle gegen jeden Provider vor den nationalen Gerichten behandelt werden können". Eine Sperrverfügung müsste konkret beantragt und erlassen werden, da dem Provider im Fall nachgewiesener Ineffektivität scharfe Sanktionen auferlegt werden könnten – bis hin zur Haft. Auch bei den Kosten für wirksame Sperren dürfte der Schlussantrag die Freude auf Seiten der Content-Industrie geschmälert werden, denn Villalón meint, dass diese sich unter bestimmten Umständen an den Kosten der Netzsperre beteiligen müssten.
Im konkreten Fall sollten sodann vom zuständigen nationalen Gericht die Grundrechte zwischen Informationsfreiheit der Bürger, Geschäftsfreiheit der Internet-Zugangsprovider und den urheberrechtlichen Schutzinteressen der Rechteinhaber abgewogen und in seinem Urteil berücksichtigt werden. Zu diesem am Ende für die Frage von Internetsperren wohl maßgeblichen Komplex blieben die Ausführungen des Generalanwalts dürftig. (anw)