EuGH soll Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ausländischer Internet-Firmen prüfen

Zwei wegen Mordes verurteilte Männer wehren sich gegen die Nennung ihrer Namen in archivierten Internet-Artikeln — und bekamen bereits vor mehreren Gerichten Recht. Doch sind deutsche Gerichte auch für Unterlassungsklagen gegen Internet-Veröffentlichungen ausländischer Anbieter zuständig? Der Bundesgerichtshof hat diese Frage jetzt an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg weitergereicht.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird die Frage, ob deutsche Gerichte für Unterlassungsklagen gegen Internet-Veröffentlichungen ausländischer Anbieter zuständig sind, nicht selbst beantworten, sondern an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg weiterreichen. Der Fall werfe eine Reihe komplizierter europarechtlicher Fragen auf, weshalb das Verfahren dem EuGH vorgelegt werden müsse, sagte der Senatsvorsitzende Gregor Galke am Dienstag in Karlsruhe.

Geklagt hatte ein Mann, der gemeinsam mit seinem Halbbruder im Mai 1993 wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Opfer war der bayerische Volksschauspieler Walter Sedlmayr, den man im Sommer 1990 erschlagen in seiner Wohnung aufgefunden hatte. Die beiden Halbbrüder beteuern bis heute ihre Unschuld.

Der Anfang vergangenen Jahres aus der Haft entlassene Mann sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt, weil beim österreichischen Unternehmen eDate Advertising, das unter anderem die Seiten rainbow.at und gayboy.at betreibt, jahrelang ein Archiv-Artikel abrufbar war, in dem unter voller Namensnennung über eine Verfassungsbeschwerde der beiden Halbbrüder gegen ihre Verurteilung berichtet wurde. Sowohl das Landgericht Hamburg als auch das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden in den Vorinstanzen jeweils für den Kläger.

Im Wege einer Vorabentscheidung soll laut BGH nun aber zunächst der EuGH "die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Unterlassungsklagen gegen Internet-Veröffentlichungen von Anbietern klären, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind". Der BGH-Senat hat dem EuGH außerdem die Frage zur Entscheidung vorgelegt, "ob sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie nach österreichischem Recht richtet oder dieser Anspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist".

Am 15. Dezember verhandelt der BGH zudem über eine weitere Klage der Halbbrüder gegen das Deutschlandradio (Sitz in Köln und Berlin) wegen der Nennung ihrer Namen. Hier dürfte die Rechtslage eindeutiger sein: Anfang 2008 hatte das Landgericht Hamburg bereits die Spiegel Online GmbH dazu verurteilt, es künftig zu unterlassen, "über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr unter voller Namensnennung zu berichten oder solche Berichte zu verbreiten beziehungsweise öffentlich zugänglich zu machen".

Der Spiegel-Verlag wurde unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro außerdem angewiesen, in zwei Heft-Ausgaben des Jahrgangs 1992 abgedruckte Bilder der Halbbrüder nicht mehr zu veröffentlichen oder öffentlich zugänglich zu machen. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass die strittigen Spiegel-Artikel "das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen". Eine Berichterstattung unter voller Namensnennung könne die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe "erheblich erschweren".

Der Spiegel hingegen hatte damit argumentiert, dass man ein entsprechendes Dossier mit Presseartikeln über den Mordfall Sedlmayr lediglich im Online-Archiv hinterlegt und zum Abruf bereit gehalten habe. Die Archivierung sei wegen der sozialen Bedeutung von Archiven auch geboten und verletze die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers nicht. Die Bereithaltung in einem Online-Archiv habe "nicht die Breitenwirkung einer erneut identifizierenden Berichterstattung im Internet". Ein Verbot hingegen beeinträchtige die Pressefreiheit unverhältnismäßig.

Im Übrigen, so heißt es in einer Stellungsnahme weiter, beruhe ein Teil der zum Abruf bereit gehaltenen Berichterstattung darauf, dass sich der Kläger selbst im Zusammenhang mit seinem Wiederaufnahmeverfahren an die Presse gewandt und ihr Unterlagen aus dem Wiederaufnahmeverfahren sowie weitere Informationen zur Verfügung gestellt habe. Durchsetzen konnte sich der Spiegel damit aber auch vor dem nächsthöheren Gericht nicht – das Oberlandesgericht wies die Berufung im Juli 2008 zurück. (pmz)