Gamestage: "Kennzeichen-Inflation" bei Online-Spielen befĂĽrchtet
Mit dem geplanten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sollen die Anbieter etwa von Browser-Games ihre Inhalte entweder selbst klassifizieren oder ein Alterskennzeichen der USK beantragen können. Die Zweigleisigkeit führt zu Verwirrungen.
Mit dem geplanten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sollen die Anbieter von Online-Spielen ihre Inhalte entweder selbst klassifizieren oder ein Alterskennzeichen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) beantragen können. Die im Raum stehende Zweigleisigkeit führt derzeit aber zu Verwirrungen und Kompetenzstreitigkeiten, die auf einem Podium während der Deutschen Gamestage in Berlin am heutigen Donnerstag zutage traten. So fürchtet etwa Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), "dass wir eine Kennzeichen-Inflation bekommen". Das Hinzuziehen weiterer Institutionen werde das System der Altersfreigabe "deutlich verkomplizieren".
Bisher prüft die USK Spiele auf Trägermedien wie DVDs gemeinsam mit den Obersten Jugendschutzbehörden der Länder. So sitzt in der Praxis letztlich ein Vertreter des zuständigen Jugendministeriums mit am Tisch. Der Ansatz hat viel Lob, aber auch Kritik erfahren. Das "sehr gute" System sollte besser nicht in Frage gestellt werden, befand Thomas Jarzombek, Mitglied des Familienausschusses des Bundestags, nun auf der Spielekonferenz. Sonst schwappten nur wieder "irrwitzige" Verbotsforderungen für ganze Spielegenres hoch. Es bringe der Branche auch wenig, wenn nach dem "nächsten Amoklauf" festgestellt werde, dass der Täter sich aufgrund einer zu laschen Durchsetzung von Jugendschutzbestimmungen ein für ihn altersmäßig nicht geeignetes Spiel aus dem Netz geholt habe.
Der CDU-Politiker betonte, dass es eine schnelle, einheitliche, abschließende und verständliche Kennzeichnung geben müsse. Er zeigte sich skeptisch, ob es mit den neuen Wahlmöglichkeiten noch "ein einheitliches Bild geben wird". Das Parlament behalte es sich daher vor, die 2003 an die Länder abgegebenen Zuständigkeiten für den Jugendmedienschutz teils wieder zurückzuholen und eine einheitliche Regelung im Jugendschutzgesetz für alle Online-Medien zu treffen. Derzeit sehe er jedenfalls "viele Fragen offen".
Wolters verwies darauf, dass die USK mit der Altersbewertung von Online-Spielen kein Neuland betrete. So gebe es nur wenige Games, bei denen ausschließlich im Internet gedaddelt werde. Zwitter wie Counterstrike oder World of Warcraft hätten schon heute eine USK-Kennzeichnung. Eine Selbstklassifizierung könne dagegen nach hinten losgehen, wenn die in diesem Fall zuständige staatliche Prüfinstanz in Form der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) eine selbst vergebene Altersfreigabe nicht teile und eine Strafe verhänge. Die Industrie brauche aber Rechtssicherheit.
Die Leiterin der KJM-Stabsstelle, Verena Weigand, gab dagegen ihr "leichtes Unbehagen" über das Vorhaben zum Ausdruck, die Freigabepraxis bei Datenträgern dem Online-Bereich "überzustülpen". Bund und Länder hätten sich 2003 geeinigt, dass das Internet "näher am Rundfunk und am Fernsehen" sei und grundrechtliche Freiheiten daher besonders gewährleistet werden müssten. Eine Art Vorzensur durch eine Voreinschätzung von Inhalten durch den Staat sei hier fehl am Platz. Sie hoffe daher auf eine "fruchtbare Zusammenarbeit" mit der Industrie und der USK bei der Bewertung von Online-Spielen.
Auch Sabine Frank, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), charakterisierte den neuen Rahmen als "viel liberaler" als in den traditionellen Medien. Die Anbieter müssten erstmals nicht mehr gleichsam zu einer staatlichen Stelle gehen, sondern erhielten die Möglichkeit zur Selbstkennzeichnung. Die Industrie könne so besser ihre "Eigenverantwortung" wahrnehmen und mithilfe von Jugendschutzprogrammen einfach durchsetzen. Es bleibe dann eine Entscheidung einzelner Anbieter, ob sie ein Online-Kennzeichen noch zusätzlich staatlich prüfen lassen wollten.
Für die Selbsteinschätzung entwickelt die FSM laut Frank bis zum Herbst ein Werkzeug, das anhand eines Katalogs mit rund 100 Fragen die mögliche Jugendproblematik von Inhalten einstufe. Je nach Art der Webseite könne ein Anbieter auch "mit fünf oder sechs Fragen" schon durch sein. Die FSM habe hier seit Jahren Klassifizierungen für Webseiten insgesamt mit Bildern, Texten, Videos und Spielen im Praxiseinsatz, während die USK hier noch wenig Erfahrungen gesammelt habe. Eine Sprecherin des Hamburger Browser-Games-Spezialisten Bigpoint ging mit der FSM-Vertreterin konform. Das angepeilte System böte eine "größere Freiheit". Wichtig sei es der Wirtschaft aber, letztlich einen einzigen kompetenten institutionellen Ansprechpartner beim Jugendschutz zu haben.
Siehe dazu auch:
(vbr)