Google-Tools für barrierefreies Web
Wenige Zeilen Code sollen -- dank neuer Google-Tools -- ausreichen, um eine Webseite beispielsweise für Sehbehinderte benutzbar zu machen.
- Daniel AJ Sokolov
- Benjamin Benz
Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O hat der Konzern verbesserte und neue Tools vorgestellt präsentiert, die helfen sollen, Webangebote für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zugänglich zu machen. "Alleine die Zahl der Sehbehinderten in den USA ist größer, als die Menge aller Internetnutzer in Kanada", verdeutlichte Rachel Shearer, Software-Ingenieur bei Google, die Motivation dahinter.
"Viele Webinhalte sind nicht grundsätzlich mit Barrieren gestaltet", sagte Shearer, "Aber einfache Fehler können zu großen Probleme für die User führen." Ein Beispiel seien fehlende Label für Eingabefelder von Formularen. Die bisher verfügbaren Testwerkzeuge hätten alle deutliche Nachteile. Daher hat Google selbst Hand angelegt und "Accessibility Developer Tools" für den Chrome-Browser programmiert. Die Erweiterung steht unter einer Open-Source-Lizenz und wurde im Rahmen der Google I/O in San Francisco erstmals präsentiert. Voraussetzung ist Chrome ab Version 21.0.137.1, wobei experimentelle Erweiterungen in den Einstellungen zugelassen werden müssen.
ChromeVox ist ein Open Source Screenreader in Form einer Chrome-Erweiterung. Er nutzt die Chrome Text-to-Speech (TTS) Engine. Diese synchronisiert die Tonausgabe mit den Vorgängen am Bildschirm. Programmierer können übrigens, statt über die TTS Engine API auch auf lokal installierte Sprachbibliotheken zuzugreifen oder einen Request an einen Server schicken, der dann einen Audiostream liefert. ChromeVox arbeite sehr "pflichtbewusst" und genau.
Allerdings gilt es auch, regelmäßige Nutzer der Sprachausgabe nicht zu nerven. Stammkunden eines Angebotes wissen aber über statische Elemente schnell Bescheid. Jede Option und Navigationsmöglichkeit immer wieder vorgelesen zu bekommen vertreibt die Kunden. Daher ermöglicht die ChromeVox API, Inhalte für das Vorlesen nach Wichtigkeit zu ordnen. Der Endnutzer kann dann per Tastenkombination den Detailgrad der Wiedergabe beeinflussen.
Ein Fall des erfolgreichen Einsatzes von ChromeVox ist eine Terminal-Emulation samt SSH-Client die Google-Entwickler Dominic Mazzoni an einem Wochenende geschrieben hat. Seine "Secure Shell" (Beta) läuft im Chrome-Browser und gibt dem Nutzer Audio-Feedback.
Mazzoni wies aber auch darauf hin, dass es bereits ältere Tools für barrierefreie Webangebote gäbe. So unterstützt Chrome seit Versin 19 CSS3 Filter Effects. Eine einzelne Zeile Code erlaubt dem Benutzer, die gesamte Seite mit invertierten Farben zu betrachten. Das erhöht meist den Kontrast und erleichtert Sehschwachen das Lesen. Bestimmte Inhalte wie zum Beispiel jpg-Dateien können im Code ausgenommen werden.
Für Farbenblinde hat Mazzoni schon vor längerer Zeit die Chrome-Erweiterung "Daltonize!" geschrieben. Farbenblinde können die Darstellung beeinflussen, Entwickler Farbenblindheit simulieren. Für andere Browser gibt es ein entsprechendes Bookmarklet. Mazzoni nimmt aber an, dass diese Aufgaben bald vom WebGL Pixel Shader übernommen werden können, der für Webkit in Arbeit ist.
Für Experimente gibt es auch noch die API der Chrome Speech Recognition Extension. Spracheingaben ergeben verschiedene Erkennungsvarianten, die nach der vom Algorithmus angenommenen Trefferwahrscheinlichkeit gereiht werden. Aus dieser Liste kann eine Webapplikation dann auswählen. (bbe)