Grüne wollen Kommunikationsgeheimnis im Grundgesetz verankern

Geht es nach der Oppositionspartei, soll das informationelle Selbstbestimmungsrecht explizit in die Verfassung aufgenommen und das Fernmeldegeheimnis zur Abwehr staatlicher Übergriffe weiter entwickelt werden.

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Geht es nach Grünen, soll das informationelle Selbstbestimmungsrecht explizit in die Verfassung aufgenommen und das Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz zu einem Kommunikationsgeheimnis weiter entwickelt werden. Ziel sei die Etablierung eines "umfassenden Kommunikationsgeheimnisses", das den Austausch von Informationen über die neuen Medien und das Internet voll erfasse ihn vor "Beobachtung" schütze. Einen entsprechenden Beschluss (PDF-Datei) hat die grüne Bundestagsfraktion vor kurzem auf ihrer Klausurtagung in Wörlitz zum Datenschutz gefasst. In dem jetzt veröffentlichten Papier wird die entsprechende Forderung nach der Stärkung der Grundrechte als unabdingliches Korrektiv für die "zunehmenden technischen Möglichkeiten des Staates wie auch Dritter zur heimlichen Überwachung und Kontrolle der Menschen" bezeichnet.

Auch in der großen Koalition gibt es seit vergangenem Jahr konkrete Überlegungen, eine Art Grundrecht auf Informationsfreiheit im Internet einzuführen. Damit sollen laut dem Innenexperten der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Betätigungen der Netzbürger "gegen staatliche Eingriffe" geschützt werden. Das Bundesinnenministerium denkt ebenfalls darüber nach, ob der Grundrechtsschutz nicht auf das Internet ausgedehnt werden müsse. Damit will es etwa heimlichen Online-Durchsuchungen freilich keine Steine in den Weg legen. Der gesondert in die Verfassung aufzunehmende Schutz der vertraulichen Kommunikation über elektronische Medien und IT-Systeme brauche vielmehr klare Schranken. Im Notfall müsse auf Daten Verdächtiger zugegriffen werden können.

Dieser Ansatz ist laut den Grünen falsch. Bei einem echten Kommunikationsgeheimnis darf es ihrer Meinung nach eben nicht darum gehen, "ein geschwächtes Grundrecht zu schaffen, das Eingriffe wie die Online-Durchsuchung unter möglichst geringen Voraussetzungen gerade erst ermöglicht". Vielmehr müsse das informationelle Selbstbestimmungsrecht als "umfassendes Kommunikationsgrundrecht" ausgestaltet werden, wie dies auch das so genannte Professorengutachten zur Modernisierung des Datenschutzrechts schon vor Jahren vorgeschlagen habe. Es sei ein "Querschnittsgrundrecht" zu formulieren, "das den kommunikativen Gehalt aller Grundrechte zum Ausdruck bringt, ohne deren spezielle Schutzmechanismen einzuschränken".

Eile ist dem Fraktionsbeschluss nach geboten. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) würden beharrlich die Erweiterung des Zugriffs nationaler und internationaler Sicherheitsbehörden auf immer mehr Daten in immer mehr Fällen forcieren – "egal, ob es sich um staatliche oder private Datenbestände handelt". Tabus gebe es dabei kaum mehr. Zugleich werfe vor allem der geplante verdeckte Online-Zugriff mit Hilfe von Trojanern auf private Festplatten verfassungsrechtlich "außerordentlich wichtige Fragen" auf. Dabei verbinde sich ein Eingriff ins informationelle Selbstbestimmungsrecht mit einem Eindringen in die räumlich abgegrenzte Privatsphäre. Unklar sei derzeit ferner etwa auch, welchen Schutz "hochsensible personenbezogene Daten genießen, die auf einem Laptop gespeichert und an einem öffentlichen Ort bearbeitet oder über einen öffentlichen WLAN-Zugang verschickt werden".

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Papier zufolge zwar schon mehrfach Dammbrüche zu Lasten der Bürgerrechte rückgängig gemacht und unter anderem mit seiner Entscheidung zum großen Lauschangriff den "Kernbereich des Privatlebens jedweder Überwachung entzogen". Das für Anfang 2008 angekündigte Urteil aus Karlsruhe zu Online-Razzien werde zudem voraussichtlich zeigen, "dass auch heimliches Hacken durch bundesdeutsche Sicherheitsbehörden im Grundsatz ein verfassungswidriger Eingriff in die Rechte der Bürger ist". Es sollte aber nicht alleine den Bundesverfassungsgericht überlassen bleiben, die Grundlagen der freien und offenen Informationsgesellschaft zu sichern. "Dies obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber."

Malte Spitz aus dem Bundesvorstand der Grünen zeigte sich über den Beschluss noch nicht in allen Punkten glücklich. Seines Erachtens wäre es am besten gewesen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen abzuwarten und anschließend erst eine klare Positionierung vorzunehmen. Trotzdem biete das jetzige Dokument seiner Ansicht nach "eine Grundlage für weitere Diskussionen". (Stefan Krempl) / (jk)