Integrated Industry: Start der Hannover Messe 2013
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin haben am Sonntagabend die Hannover Messe 2013 eröffnet. Zuvor konnten Journalisten einen ersten Rundgang über das Gelände der weltgrößten Industriemesse absolvieren.
Mit viel Prominenz aus Wirtschaft und Politik ist am Sonntagabend die Hannover Messe 2013 eröffnet worden. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen im Hannover Congress Centrum (HCC) auch Wladimir Putin als Vertreter des diesjährigen Partnerlandes Russland, die neue Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil sowie Friedhelm Loh, Präsident des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Bundeskanzlerin Merkel unterstrich in ihrer Rede die Bedeutung der Hannover Messe: "Wer in der Industrie etwas auf sich hält, darf in Hannover nicht fehlen." Und vor allem jetzt nicht, denn es zeichne sich eine Entwicklung ab, die ein "Meilenstein für die künftige industrielle Entwicklung" sei: das Prinzip der "Integrated Industry", also die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung sämtlicher Produktionsebenen - gleichzeitig auch das Leitthema der diesjährigen Hannover Messe.
Präsident Putin erinnerte daran, dass Russland im Jahr 2005 schon einmal Partnerland der Hannover Messe gewesen sei - und dass sich in den vergangenen acht Jahren viel getan habe: Russland sei auch durch die Unterstützung Deutschlands inzwischen vollwertiges Mitglied der Welthandelsorganisation WTO, das Investitionsklima im größten Flächenland der Erde verbessere sich zunehmend, die Arbeitslosenquote liege bei nur noch 5,5 Prozent. Heute seien rund 6000 deutsche Firmen in Russland aktiv, verdeutlichte Putin, "und wenn wir weiter zusammenarbeiten, können wir auch neue Erfolge erreichen." ZVEI-Präsident Loh erklärte, dass Russlands Exporte nach Deutschland heute mehr als 41 Milliarden Euro ausmachten, in die andere Richtung würden Waren und Dienstleistungen in einer Größenordnung von 35 Milliarden Euro fließen. "Die deutsche Wirtschaft sucht starke und attraktive Märkte für Investitionen. Bei vielen Unternehmen ist es deshalb an der Zeit, in Russland Vertriebsorganisationen und moderne Produktionsstätten aufzubauen."
Hannover Messe 2013 – ein Rundgang in Bildern (10 Bilder)
Hoher Besuch
Die aus elf Einzelmessen (Industrial Automation, Motion, Drive & Automation, Energy, Wind, MobiliTec, Digital Factory, ComVac, Industrial Supply, SurfaceTechnology, IndustrialGreenTec, Research & Technology) bestehende Hannover Messe ist in diesem Jahr bis unters Dach ausgebucht: In 25 Messehallen und auf mehreren Freigeländen präsentieren mehr als 6500 Aussteller aus 62 Ländern bis zum 12. April neue Produkte und technische Innovationen. Das Partnerland Russland konzentriert sich mit mehr als 100 Unternehmen vor allem am Zentralstand in Halle 26 (A02), insgesamt sind in diesem Jahr rund 160 Firmen aus der Russischen Föderation in Hannover vertreten, darunter Gazprom (Gas), Rusnano (Nanotechnologie), Russian Railways (Transport), Rosneft (Öl), Transneft (Öl), Uralwagonsawod (Maschinenbau), RAO UES of Russia (Elektrizität), die TMK Group (Stahl) und Metalloinvest (Metalle). Große Aussteller aus Deutschland sind beispielsweise Siemens, die Deutsche Bahn, der Maschinenbau-Konzern Schaeffler, Roboterspezialist KUKA oder auch der Volkswagen-Konzern.
Volkswagen nutzt seinen Auftritt in Hannover insbesondere für die Präsentation von emissionsarmen Transportlösungen. So stellt das Unternehmen erstmals in Deutschland das Ein-Liter-Auto XL1 vor, ein futuristisch anmutender Zweisitzer mit Hybrid-Technik (2-Zylinder-Dieselmotor mit 35 kW Leistung plus Plug-in-Elektromotor mit 20 kW), der sich auf dem Papier mit 0,83 Liter Diesel pro 100 Kilometer begnügen soll. Konzernangaben zufolge ist der XL1 damit "das derzeit sparsamste und umweltschonendste Automobil der Welt". Als Reichweite gibt Volkswagen "rund 500 Kilometer" bei kombiniertem Elektro- und Dieselantrieb mit einem 10-Liter-Tank an. Gebaut wird das lediglich 800 Kilogramm schwere Fahrzeug mit CFK-Monocoque und Flügeltüren in den früheren Karmann-Werken in Osnabrück, wo auch das Golf-Cabriolet sowie der Porsche Boxster vom Band rollen. Als Außenspiegel dienen dem XL1 zwei Kameras, deren Bilder auf kleine Monitore in den Türverkleidungen übertragen werden. Geplant ist zunächst der Bau von insgesamt 300 Modellen, danach will der Konzern weitersehen.
Ebenfalls gezeigt wird am Volkswagen-Hauptstand in Halle 15 (A04) die Studie eines rein elektrisch angetriebenen Lieferwagens. Der auf den Namen "E-Co-Motion" getaufte Kleintransporter ist vor allem für den innerstädtischen Lieferverkehr gedacht und soll mit unterschiedlichen Batteriekapazitäten angeboten werden: 20 kWh für eine Reichweite von etwa 100 Kilometer, 30 kWh für 150 Kilometer und 40 kWh für 200 Kilometer. Um elektromotorischen Transport geht es auch beim Bundesverband Solare Mobilität (BSM), der eigenen Angaben zufolge mit gleich drei Deutschland-Premieren aufwartet (Halle 25, Stand K10). Präsentiert werden die Fahrzeuge "Colibri", "AutoTram" und "MicroMax". Ersteres ist ein sogenanntes Micromobil der Innovative Mobility Automobile GmbH mit lediglich einem Sitzplatz, das nicht nur Pendler ansprechen soll, sondern auch als "wendiges Stadtfahrzeug für Kommunen, Carsharing-Anbieter und Lieferservices" dienen könnte. Ende 2014 soll der "Colibri" in Serienproduktion gehen.
Deutlich mehr Passagiere (bis zu 256) kann hingegen die "AutoTram Extra Grand" mit Diesel-Hybrid-Antrieb der Göppel Bus GmbH (seit März 2013 Teil der russischen Kirvosky Zavod AG mit Sitz in St. Petersburg) aufnehmen. Das in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) und der TU Dresden entwickelte Gefährt ist über 30 Meter lang und gilt als derzeit größter Omnibus der Welt. Die "AutoTram Extra Grand" soll die Vorteile einer Straßenbahn (mehrgliedriges Konzept) mit denen eines Busses (Flexibilität) kombinieren und ist dafür mit einer speziellen Mehrachslenkung ausgestattet. Der Mega-Bus steht auf dem Freigelände vor Halle 25. Gewollt doppeldeutig ist der Name des Projekts "microMAX" gewählt - das Schweizer Unternehmen Rinspeed versucht nämlich, einen Elektrobus im Kleinwagenformat zu etablieren, der mehrere Passagiere transportieren kann. Als Antrieb dienen Komponenten, die auch in den Gabelstaplern und Lagertechnikgeräten des Unternehmens Linde Material Handling verbaut sind.
Mehr Aktuelles von der Hannover Messe und zur Fabrik der Zukunft finden Sie in einem Special von Technology Review.
(pmz)