Internet Society: Freies Internet in Gefahr

Auf der INET-Konferenz haben Redner wie Rick Falkevinge und Andi Müller-Maguhn vor dem stärker werdenden Einfluss von Unternehmen und Regierungen auf das Internet gewarnt. Er gefährde zunehmend die freie Kommunikation im Internet.

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Von
  • Monika Ermert

Auf der INET-Konferenz der Nonprofit-Organisation Internet Society (ISOC) in Frankfurt am Main haben Redner wie Rick Falkevinge, Andi MĂĽller-Maguhn und Jean-Jacques Sahel vor staatlichen und privatwirtschaftlichen Bestrebungen gewarnt, die das freie Internet bedrohen. So forderte etwa der GrĂĽnder der schwedischen Piratenpartei Rick Falkevinge, dass sich die Freiheit des Internets nur bewahren lasse, wenn jeder BĂĽrger statt fĂĽnf oder fĂĽnfzig wenigsten 50.000 Auffahrten ins Internet habe und es einen Verfassungsgrundsatz gebe, der Mittler verpflichte, alle, also auch illegale Daten zu transportieren.

Sobald es lokal nur eine Handvoll Uplinks zum Netz gebe, könnten Rechteinhaber und deren Verbände mit einer einzigen Klage gegen den schwächsten Provider auch alle anderen an die Kandare nehmen, sagte Falkevinge: "Man knallt ihnen einfach das fünfhundert Seiten starke Präzedenzurteil auf den Tisch." Den stetigen Versuchen, die Mittler, also die Datentransporteure verstärkt für Missetaten ihrer Kunden in die Pflicht zu nehmen, gelte es mit einem radikalen Verfassungsgebot zu begegnen: Transporteure sollen immer transportieren – auch wenn ein Inhalt illegal sei.

Falkevinge kritisierte die herrschende Politik der Industrieländer auch darin, dass sie immer neue Überwachungsgesetze für die Bürger schaffe, während sie gleichzeitig Millionen von Euro für Umgehungstechnik ausgebe – etwa für die arabische Welt. Längst gehe es Regierungen in westlichen Ländern darum, Kontrolle über das Netz zu gewinnen. So kritisierte Müller-Maguhn, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs, die aktuellen Regierungsreaktionen auf Cyberwar-Szenarien, einschließlich der Etablierung des deutschen Cybersicherheitsrats, als "Kampagne" für mehr Regierungskontrolle über das Internet.

Mit Blick auf die US-Reaktionen zu Wikileaks und auf die Debatte um Internet-Abschaltknöpfe sagte Müller-Maguhn, entweder verschwänden solche Regierungen oder aber man müsse auf ein freies Internet verzichten. Er könne zwar verstehen, dass die US-Regierung besorgt über Wikileaks sei. Sperrungen der Plattform in der Library Congress oder das Ausfiltern von Publikationen wie Der Spiegel oder The Guardian auf den Rechnern des US-Militärs halte er aber für besorgniserregend. "Ich hätte nicht erwartet, dass die USA gleich ihre Verfassung aus dem Fenster wirft." Müller-Maguhn ging allerdings auch mit den aktuell als "Revolutionsmacher" geadelten sozialen Netzwerken hart ins Gericht. In Weißrussland hätten sich die Behörden etwa Facebooks bedient, um 200 Regimegegnern nachzustellen und diese zu verhaften.

Man dürfe das freie Internet nicht einfach als selbstverständlich hinnehmen, lautete die Botschaft der ISOC-Konferenz. Vielmehr gelte es, Entwicklungen in Richtung auf quasi-private und nicht mehr ohne weiteres interoperable Teilnetze einzelner Firmen oder Firmenkonglomerate zu bekämpfen. Blockaden einzelner Dienste durch Netzbetreiber seien dabei längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität, meinte Jean-Jacques Sahel, Direktor Government und Regulatory Affairs bei Skype.

Für die Internet Society kündigte deren neuer Vice President Public Policy Markus Kummer eine Stellungnahme zu den Themen Netzfilter und Sperrungen an. Er stimmte den Hackern zu, dass die Internetpolitik in den westlichen Demokratien ebenso genau beobachtet werden müsse wie die in den Entwicklungsländern. Kummer leitete bis vor kurzem als Schweizer Diplomat das Sekretariat des Internet Governance Forums. Für die deutsche ISOC sagte Hans-Peter Dittler, der Organisation gehe es auch weiterhin eigentlich schlicht darum, dass das Internet "gut laufe". Dazu müsse sich die ISOC künftig stärker mit den politischen Fragen und gesetzgeberischen Maßnahmen auseinandersetzen. (rek)