Kanadisches Copyright-Abmahnsystem kurz nach Einführung bereits missbraucht

Der Rechteverwalter BMG hat über das neue kanadische Warnverfahren für Copyright-Sünder Schreiben verschicken lassen, mit denen Nutzern widerrechtlich bis zu 150.000 Dollar Strafe pro Urheberrechtsverstoß angedroht werden.

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Kanadisches Copyright-Abmahnsystem kurz nach Einführung bereits missbraucht

(Bild: michaelgeist.ca)

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Das Anfang des Jahres in Kanada eingeführte System, um Copyright-Ansprüche besser durchzusetzen, hat sich rasch als missbrauchsanfällig herausgestellt. So hat die US-Firma Rightscorp bereits am 2. Januar im Auftrag von BMG Rights Management über einen Internetprovider eine Abmahnung an einen Nutzer senden lassen, wonach dieser illegal Musik aus dem Repertoire der Bertelsmann-Tochter über P2P-Netzwerke verbreitet habe. Ihm wird ein Vergleich in Höhe von 20 Dollar pro Song angeboten. Andernfalls drohten in einem gerichtlichen Zivilverfahren für jede Copyright-Verletzung bis zu 150.000 Dollar.

Illegale Up- und Downloads können in Kanada bei persönlicher Nutzung mit bis zu 5000 Dollar geahndet werden, wenn ein kommerzieller Gewinn erzielt wird mit bis zu 20.000 Dollar. Der in Ottawa lehrende Rechtsprofessor Michael Geist, dem das Schreiben zugespielt wurde, beklagt daher, dass falsche rechtliche Informationen angeführt wurden. Er sieht ein "Fiasko" für das Verwarnverfahren. Auch stimme nicht die Behauptung, dass der Internetzugang des Betroffenen gekappt werden könne, da es eine derartige Three-Strikes-Bestimmung im kanadischen Recht nicht gebe.

Ein Sprecher des kanadischen Industrieministers James Moore hat inzwischen betont, dass derlei Hinweise "irreführend" seien und nicht dazu verwendet werden könnten, Internetsurfern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Behördenmitarbeiter würden Zugangsanbieter und Rechteinhaber kontaktieren, um die unerwünschte Praxis zu beenden.

Geist zufolge haben die Regierung und der Gesetzgeber das Debakel aber selbst mitverschuldet, da sie keine formellen Anforderungen für den Verwarnmechanismus aufgestellt hätten. Provider hätten gefordert, die Vorgaben zu ändern, doch Moore sei ihnen nicht nachgekommen. Nun müsse die Regierung zumindest die Wettbewerbsbehörde einschalten und das irreführende Verhalten untersuchen lassen.

Zugangsanbieter sind in Kanada gesetzlich verpflichtet, Warnhinweise von Rechteinhabern an Copyright-Sünder weiterzuleiten. Andernfalls droht ihnen eine Mindeststrafe von 5000 Dollar. Mehrere Provider sind inzwischen dazu übergegangen, den Schreiben eigene Hinweise vorzuschalten. Teksavvy etwa klärt darin genau darüber auf, dass ein Rechtehalter zunächst auf eigene Kosten einen Gerichtsbeschluss erwirken müsse, um eine die Nutzerdaten zu einer IP-Adresse bekommen zu können. Diese Informationen würden normal 30 Tage aufbewahrt, nach einer Verwarnung müsse sie sechs Monate lang gespeichert werden. (anw)