Kommentar: Facebook Home erschlieĂźt neue Einnahmequellen
Auf Handys ist für Facebook mit Werbung relativ wenig Geld zu holen, während die Betriebskosten pro Nutzer nicht geringer ausfallen. Der Ausweg: Das Geschäft mit Telekommunikation als direkte und indirekte Einnahmequelle.
Mehr als 80 Prozent seines Umsatzes machte Facebook vergangenes Jahr mit Werbung. Aktionäre wollen immer Wachstum sehen, und Facebook gewinnt auch neue Nutzer. Dieser Zuwachs findet aber vorwiegend in Ländern mit geringerem Wohlstand statt, und dort hauptsächlich auf Handys. Dabei ist mit Werbung relativ wenig Geld zu holen, während die Betriebskosten pro Nutzer aber nicht im gleichen Ausmaß geringer ausfallen. Eine ungemütliche Schere, der Facebook entkommen möchte. Der Ausweg: Das Geschäft mit Telekommunikation als direkte und indirekte Einnahmequelle. Den Umsatz der Mobilfunker mit SMS hat Facebook schon länger erodieren lassen, und eine VoIP-App wird in einigen Ländern bereits öffentlich getestet. Einen Anrufbeantworter bietet Facebooks Messenger auch schon – ein Dienst, den sich klassische Mobilfunkanbieter in manchen Ländern fürstlich entlohnen lassen.
Auf Distanz kommunizieren die Facebook-Nutzer ja schon bisher, zahlen dafür aber kein Geld. Gerade in den Facebook-Apps konnte Facebook lange Zeit kaum Werbeumsätze generieren. Auch wenn sich das inzwischen gebessert hat, sind viele Teilnehmer aus Entwicklungsländern derzeit für die klassischen Facebook-Werbekunden nur von begrenztem Wert.
Mit der neuen Android-Oberfläche Facebook Home möchte Facebook den App-Spieß umdrehen. Nicht jeder Android- und Facebook-Nutzer hat bisher die Facebook-App installiert und regelmäßig genutzt. Bei Facebook Home steht aber plötzlich Facebook (und die dort platzierte Werbung) im Zentrum der Aufmerksamkeit, andere Funktionen werden zum Zusatz. Und bei Facebook Home ist das Adressbuch schon mit den Facebook-"Freunden" vorgefüllt.
Dies könnte für so manchen Facebook-Fan ein zugkräftiges Argument für Facebook Home sein. Und wenn das nicht reicht: Es kann plötzlich sehr einfach werden, ein (bis auf den Datenverkehr) kostenloses VoIP-Telefonat vom Handy zu anderen Facebook-Nutzern aufzubauen. Gleiches gilt für Kurznachrichten. Und womöglich hat der Netzbetreiber das Handy, das ihm die Sprach- und SMS-Umsätze wegnimmt, auch noch subventioniert.
Gut, damit gewinnt Facebook zwar zusätzliche Teilnehmer (lies: Daten für die Werbekunden), macht damit aber noch keine direkten Umsätze. Aber wer hindert Facebook daran, dem Beispiel Skype folgend, kostenpflichtige Dienste anzubieten, die unter den Tarifen des Netzbetreibers liegen? Facebook-Out und Facebook-In-Telefonate für ein paar Cent können ohne Weiteres mehr Umsatz pro zahlendem Kunden bringen, als die Einnahmen aus Werbung. Und ein Zahlungssystem hat Facebook bereits, was die Transaktionskosten für kleine Beträge deutlich reduzieren dürfte.
"Facebook ist kein soziales Netzwerk; es ist eine Kommunikationsfirma. Facebook ist der Ort, wo Menschen sich miteinander verbinden", schreibt Strand Consult in einer Warnung an Mobilfunk-Netzbetreiber. "Wenn Facebook diese Aktivitäten zu Geld macht, wäre es größer und reicher als jeder Telekommunikationsbetreiber." In der Tat experimentiert Facebook bereits mit Bezahlnachrichten an (Noch-)Nicht-"Freunde", von 1 bis 100 US-Dollar reicht die Preisspanne.
Als nächsten Schritt erwartet Strand Consult die Facebook SIM-Karte: Facebook als virtueller Mobilfunk-Anbieter, als Untermieter in bestehenden Netzen (Mobile Virtual Network Operator, MVNO). "Wir können uns keinen Netzbetreiber vorstellen, der Facebooks nicht als MVNO-Kunden haben wollen würde." Demnach bleiben laut der Beraterfirma nur zwei Fragen offen: Ist Facebook gewillt, jenseits von Werbung nach Umsätzen zu suchen? Und wer macht das Rennen als Facebook-MVNO?
Doch selbst wenn Facebook keine konkreten Pläne haben sollte, selbst als Mobilfunk-Anbieter tätig zu werden: Die tiefere Integration in das Handy-Betriebssystem eröffnet ganz neue Datenpfründe. Die Nutzer und ihr Verhalten können noch tiefgehender analysiert werden, als bisher.
Die Bewegungsmuster werden auch mit der herkömmlichen Facebook-App schon analysiert. Aber mit Facebook Home erschließen sich Facebook auch die sozialen Verbindungen jenseits Facebook. Als simples Beispiel mögen Kinder dienen, die mit ihren Eltern selten via Facebook interagieren. Am Handy dafür aber umso öfter. Wenn Facebook dies erfährt, kann es die Verbindung zwischen diesen Personen ganz anders gewichten und daraus neue Erkenntnisse ziehen.
Selbst der Wach-Schlaf-Rhythmus könnte dann ein offenes Buch für Facebook werden. Und wenn sich das Handy mit NFC als Zahlungsmittel durchsetzt, kann Facebooks Zahlungssystem in ganz neue Dimensionen vordringen. Dann müssen vielleicht nicht nur die Mobilfunker, sondern auch die Kreditkartenanbieter Federn lassen.
(axv)