Kommentar: Wohin steuert Eclipse?

Durch den schleichenden Rückzug von IBM aus dem Eclipse-Projekt scheinen nun andere IDE-Hersteller den Takt bei den Innovationen vorzugeben. Die für Eclipse zuständige Open-Source-Community muss ihren meritokratischen Ansatz überdenken.

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Von
  • Alexander Neumann

Als IBM 2001 die Open-Source-IDE Eclipse präsentierte, war nicht abzusehen, wie sehr die damals neue Entwicklungsumgebung den Markt der Entwicklungsumgebungen beeinflussen sollte. Spätestens die Version 3.0 im Jahr 2004 bedeutete den Durchbruch mit der Folge, dass nahezu alle kommerziellen IDEs im Java-Markt entweder irgendwann selbst Eclipse als Basis nutzten oder eingestellt wurden. Eclipse war Mitte der 2000er-Jahre der Trend schlechthin, in Umfragen kam die IDE auf eine Verbreitung von über 75 Prozent. Doch spätestens mit dem schleichenden Rückzug von IBM etwa ab 2008 mehren sich die Zeichen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind.

Der Eclipse Foundation ist es nicht gelungen, einen finanzkräftigen Nachfolger für IBM zu finden, der das Ruder bei den zentralen Projekten an sich gerissen hätte. Der Ansatz, die Entwicklung der IDE aus der Community heraus voranzutreiben, hat nicht zu vergleichbaren Innovationen geführt, die die verbliebenen Konkurrenten nun auszeichnen.

Dem Tool-Hersteller JetBrains ist es zum Beispiel viel besser gelungen, seine IntelliJ-Plattform als Entwicklungsumgebung für viele Programmiersprachen zu positionieren. Eclipse war einmal mit dem selben Ziel angetreten, kann aber derzeit nur bei JVM- und C/C++-Entwicklern punkten. Die Bemühungen bei PHP und bei JavaScript kommen nicht mehr weiter, weil sich entweder die entscheidende Firma aus der Eclipse-Comunity zurückgezogen hat oder der maßgeblich zuständige Entwickler keine Zeit mehr findet. Das erscheint insbesondere beim boomenden JavaScript ein Fehler zu sein. Das für die JavaScript-Entwicklung auserkorene Browser-IDE-Projekt Orion hat bis auf wenige Ausnahmen noch nicht die erhoffte große Verbreitung gefunden.

Bislang sind die Auswirkungen noch nicht dramatisch, aber Meldungen wie die der Android-Entwickler bei Google, fortan IntelliJ IDEA als IDE zu verwenden, werden nicht nur in der Eclipse-Community aufmerksam wahrgenommen. Erstmals waren außerdem bei der diesjährigen Umfrage der Eclipse Foundation unter Eclipse-Entwicklern Einbußen in der Popularität zu verzeichnen.

Die Eclipse-Entwickler sind sich dessen natürlich schon länger bewusst. In der jüngsten Zeit nimmt das Thema allerdings dann doch Fahrt auf. So wurde kürzlich ein Vorschlag für eine "Eclipse IDE Industry Working Group" aufgesetzt. Solche IWGs gibt es schon einige im Eclipse-Umfeld. Ihr Ziel ist es, unterschiedliche Parteien an einen Tisch zu bekommen, um speziellen Anforderungen einer Branche mit einem für sie maßgeschneiderten Eclipse nachkommen zu können. Die Absicht ist es, Eclipse als Nummer-eins-IDE in vertikalen Märkten wie Automotive, Luftfahrt oder M2M zu positionieren.

Im konkreten Fall der IDE IWG soll es darum gehen, ein Modell auszuarbeiten, wie es der Eclipse-Community gelingen könne, zur Umsetzung von zuvor ermittelten Features Sponsoren zu gewinnen. Diese Art der Förderung soll außerhalb der Beiträge erfolgen, die für Unternehmen als Mitglieder von Eclipse anfallen.

Auf der EclipseCon Europe vorige Woche wurde auch dieser Vorschlag diskutiert. Der Tenor war, dass Eclipse bei Design, Unterstützung von Programmiersprachen, Performance und Usability an Boden verloren habe. Grundsätzlich schwächele Eclipse bei der Entwicklung mobiler Applikationen, war von den Teilnehmern einer größeren Diskussionsrunde zu vernehmen. Hier diktieren die Konkurrenten IntelliJ IDEA und NetBeans das Tempo der Innovationen. Andere in die Runde geworfene Ideen waren Crowdfunding und die Teilkommerzialisierung diverser Projekte.

Bei allen Ideen und in der Zukunft getroffenen Entscheidungen sollte die Eclipse Foundation vielleicht ihren meritokratischen Ansatz überdenken. Mit diesem lässt sich offenbar das durch den Rückzug von IBM entstandene Loch nicht stopfen. Hier haben es Unternehmen wie JetBrains oder Oracle (bei NetBeans) einfacher, mal eben so die Innovationen von oben herab zu diktieren. Und selbst die Linux-Community hat es mit Linus Torvalds an der Spitze hierin einfacher, der ja das letzte Wort über die Kernel-Entwicklung hat.

Große Entwicklungsprojekte brauchen womöglich grundsätzlich eine Art gutmütigen Diktator, denn nichts anderes war IBM früher bei Eclipse. Bei der Vielzahl der Eclipse-Projekte braucht es eine Firma oder einen von allen akzeptierten Projekt-Manager, der die Kernentwicklungen mit voller Verantwortung vorantreibt, wie das einst bei IBM Erich Gamma und seinem Team gelang. (ane)