Leistungsschutzrecht: Landgericht Berlin weist Verlegerklage gegen Google ab
Es lief nicht gut für Verlage wie Axel Springer, Burda oder Funke im Berliner Leistungsschutzrecht-Verfahren gegen Google, in dem es um den Missbrauch von Marktmacht geht. Das Landgericht sieht die Kläger nicht diskriminiert.
Die Verlage haben bei ihren juristischen Kampf gegen Google über das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eine Schlappe erlitten. Peter Scholz, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin, ließ am Freitag bei der mündlichen Verhandlung einer Klage von 41 Medienhäusern wie Axel Springer, Burda, Funke, DuMont Schauberg oder Madsack gegen Google die Bombe schon bald platzen: "Nach der Vorberatung tendiert die Kammer dazu, die Klage abzuweisen."
Das entsprechende Urteil verfasste die Kartellrechtskammer direkt nach der zweistündigen Sitzung. Wie eine Gerichtssprecherin gegenüber heise online bestätigte, ließen die drei beteiligten Richter ihren Worten Taten folgen. Google habe zwar eine dominante Stellung im Suchmaschinenmarkt, lautet ihr Tenor, die Kläger würden aber nicht diskriminiert.
Der Internetriese sollte es laut der 2014 vorgebrachten Klage unterlassen, seine Marktdominanz zu missbrauchen und den Medienhäusern ein Opt-in zu seiner Nachrichtensuche abzuzwingen. An dem Verfahren (92O5/14 Kart) beteiligt sind Verlage, die auch in der Verwertungsgesellschaft (VG) Media vertreten sind. Portale wie "Spiegel Online", "handelsblatt.com", "faz.net", "sueddeutsche.de" oder "heise online" beteiligen sich nicht daran.
Kraftprobe um Snippets verloren
Die Verlage räumten Google im Oktober 2014 nach einer zweiwöchigen Kraftprobe überraschend gratis das Recht ein, ihre Inhalte auf dem Nachrichtenportal und anderen Suchseiten des Konzerns darzustellen. Zur Begründung hatte es damals geheißen, dass man sich "angesichts der überwältigenden Marktmacht von Google zu diesem außergewöhnlichen Schritt gezwungen" gesehen habe. Die Kalifornier hatten zuvor angekündigt, keine Textanrisse in Form von Snippets von Verlagen mehr anzuzeigen, die Geld dafür auf Basis des Leistungsschutzrechts verlangen wollten.
In dem Fall gehe es nur ums Kartellrecht, führte Scholz bei der Verhandlung aus. Es sei also zunächst zu fragen, ob es überhaupt einen Markt für Inhalte im Netz gebe, bevor man über Missbrauch von Marktmacht urteilen könne. Im Internet werde zwar vieles kostenlos gehandhabt, dennoch sei von einem wirtschaftlichen Geschehen auszugehen, befand er: Suchnutzer zahlten mit ihren persönlichen Informationen, Google könne daraufhin zielgerichtet Werbung schalten. Im Prinzip handle es sich für alle Beteiligten um eine "Win-Win-Situation", da auch den Webseitenbetreibern Besucher und damit Werbeeinnahmen zugeführt werden.
Machtmissbrauch zweifelhaft
Durch das vom Gesetzgeber nach langen Auseinandersetzungen 2013 geschaffene Leistungsschutzrecht sei dieses "eigentlich ausgewogene System" ein bisschen aus dem Gleichgewicht gebracht worden, erläuterte Scholz. Nun verlange die Verlagsseite zum Teil auf dieser Basis Geld, wollte aber weiterhin in den Suchergebnissen gelistet werden. Die Kammer habe aber Zweifel, ob in dem Streit bei Google von einem Machtmissbrauch zu sprechen sei. Die Anfrage einer kostenlosen Lizenz sei im Urheberrecht schließlich nicht unüblich.
Der Richter bezog sich damit auf eine E-Mail von Google-Vertretern an die VG-Media-Verlage, wonach die Kalifornier TextauszĂĽge und Vorschaubilder weiter umsonst verwenden wollten. Andernfalls nehme man diese "Snippets" heraus und belasse es bei der Trefferanzeige bei einer Ăśberschrift und einem Link.
Pistole auf die Brust gesetzt?
Die Anwälte der Klägerseite argumentierten, dass Google damit den betroffenen Verlagen "die Pistole auf die Brust" gesetzt habe. Nur von diesen sei nun eine ausdrückliche Einwilligung verlangt worden und ihnen angedroht worden, die Darstellung ihrer Inhalte in den Ergebnislisten zu verkürzen, was wiederum zu einer Wettbewerbsverzerrung und zu weniger Traffic führe. Man habe daher angesichts des Verhalten der Kalifornier "die Notbremse ziehen" müssen, was deren marktbeherrschender Stellung geschuldet gewesen sei. Andere Suchmaschinen wie Bing oder Yahoo könnten es sich gar nicht leisten zu sagen: "Gib mir einfach alles kostenlos".
Die Google-Anwälte warfen den Klägern ihrerseits vor, den gesamten Markt nach ihren Vorstellungen prägen und die Bedingungen diktieren zu wollen. Die Win-Win-Situation dürfe so nicht weitergehen, was nicht in der VG Media sitzende Verlage "mit großer Furcht" sähen. Bei Google habe man "große Hemmungen, ein gut funktionierendes Geschäftsmodell jetzt zu ändern" und an alle Medienhäuser Geld zu zahlen oder alle verkürzt anzuzeigen.
Vergleich gescheitert
Generell gingen die für Google-Anwälte davon aus, dass der Konzern auch bei der "normalen" Trefferanzeige derzeit keine Leistungsschutzrechte nutze und stellten dabei auf die Vorschaubild-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Dies ging dem Vorsitzenden der Kammer aber zu weit. Die entsprechenden Urteile bezeichnete er als "Krücke", die mit dem Leistungsschutzgesetz "überholt" seien.
Mit seinem Angebot eines Vergleichs im Einklang mit dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) vom September kam Scholz nicht weit. Diese hatte eine Obergrenze von sieben Wörtern für die Anzeige von Snippets ins Spiel gebracht, die entgeltfrei bleiben sollten. Über die genaue Länge und die Interpretation des Gesetzesbegriffs "kleinster Teile" könne man sich noch streiten, da derlei Formulierungen eher etwas für "Germanisten als für Juristen" darstellten, räumte der Richter ein.
Der Kampf geht weiter
Die Verleger wollen nun prüfen, ob sie gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil Berufung einlegen. So oder so wird der Kampf um die Auslegung des Zugeständnisses des Gesetzgebers an sie noch lange nicht ausgestanden sein. Zur Frage der Reichweite des Schutzrechtes an sich etwa ist eine andere, von der VG Media im Januar eingereichte Klage beim Landgericht Berlin anhängig. Scholz kündigte aber an, dass dort "in diesem Jahr nicht mehr viel passieren wird". (axk)