Machtpoker um die Vergabe von IP-Adressen und die DNS-Aufsicht

Die UN-Organisation International Telecommunication Union (ITU) will selbst IPv6-Adressen vergeben. Auf dem Internet Governance Forum der UN gab es darĂĽber einen Schlagabtausch mit ICANN-Vertretern. Die Auseinandersetzung um die IP-Adressvergabe und die DNS-Kontrolle ist noch nicht beendet.

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Von
  • Monika Ermert

Die UN-Organisation International Telecommunication Union (ITU) will selbst IPv6-Adressen vergeben. Beim vierten Internet Governance Forum (IGF) der UN in Sharm El Sheikh sagte ein Vertreter der ITU gegenĂĽber heise online: "Unser Vorschlag zu IPv6 liegt auf dem Tisch." Bereits Ende Oktober hatte das ITU Council grĂĽnes Licht gegeben, dass die ITU ein Modell fĂĽr nationale IPv6-Adressvergabestellen entwickeln solle, mit dem die ITU zur zentrale Koordinierungsstelle der Country Internet Registries (CIR) wĂĽrde.

Der neue Präsident der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) stellte dagegen die Notwendigkeit einer weitere IP-Adressvergabestelle in Frage. Bislang gibt es fünf IP-Adressvergabestellen (Regional Internet Registries, RIR), europäische Anlaufstelle ist das RIPE in Amsterdam.Vertreter aus dem ITU-Lager werben mit dem Hinweis auf "mehr Wettbewerb" für die zusätzliche Vergabestelle unter Aufsicht der Regierungen.

ICANN-Chef Beckstrom lieferte sich beim IGF einen Schlagabtausch mit dem Chef des von der ITU mit einer IPv6-Studie beauftragten NAV6-Instituts an der Universität von Malaysia, Sureswaran Ramadass. Laut Beckstrom funktioniert die Adressvergabe entgegen anders lautenden Aussagen gut. "Wer hier im Saal Probleme damit hatte, IPv6-Adressen zu bekommen, kann sich bei mir melden", erklärte Beckstrom und warf den Befürwortern einer ITU-Adressvergabestelle politische Motive vor. Hinter vorgehaltener Hand meinen viele Gegner der ITU, sie suche nach neuen Aufgaben, da durch den Rückgang der klassischen Telefonnetze und der wachsenden Rolle der IP-Netze die Organisation an Bedeutung verliere.

Die NAV6-Studie bezeichnet eine sechste Adressvergabestelle als sinnvoll, technisch problemlos und ohne zusätzliche Fragmentierung umzusetzen. "Warum sollten wir keine zusätzlichen Organisationen für die Adressvergabe haben?", fragte Ramadass den ICANN-Chef. Mit dem alternativen Betreiber würde man ein "Monopol" bei der Adressvergabe vermeiden. Ramadass betonte, immerhin stehe derzeit einem Nutzer, dessen Adressantrag von seinem lokalen RIR abgelehnt werde, keine alternative Quelle zur Verfügung. Die RIRs vergeben laut eigenen Aussagen entsprechend dem Bedarf der Nutzer. Wer Adressen brauche, könne sie auch bekommen, unterstrich Beckstrom.

Der heikelste Aspekt bei den NAV6-Vorschlägen dürfte aus Sicht der Gegner der starke Einfluss der bei der ITU versammelten Regierungen auf die Vergaberegeln sein. Laut der Studie würden die Vergaberegeln im neuen IP-Adresszweig "in einer internationalen Organisation gemacht, in der alle Regierungen gleichberechtigt sind". Die Regeln könnten dann in Einklang mit nationalen Gesetzen durchgesetzt werden. Anstelle der Selbstregulierung, die bei den RIRs gepflegt wird, würden Regierungen Regeln für die in der zweiten Säule vergebenen Adressen festlegen.

Beim vierten Internet Governance Forum gab sich die ITU trotz dieser Pläne überaus diplomatisch. Entgegen der im Jahr zuvor geäußerten Kritik am IGF als eine Art "Quatschbude" lobte ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré das Forum als gutes "Interface" zwischen den verschiedenen zwischenstaatlichen und internationalen Selbstregulierungsorganisationen. Die Rolle der Internet-Verwaltung ICANN als zentraler Verwalter der DNS-Ressourcen bestätigte Touré ungewöhnlich deutlich. Dies verwunderte insbesondere diejenigen, die die ITU-Vorschläge für zwischenstaatliche Aufsichtsstrukturen auch für die Rootverwaltung der Länderadresszonen (ccTLDs), für die DNSSEC-Schlüsselverwaltung und auch für Fragen öffentlichen Interesses bei neuen, generischen Top Level Domains in einem Bericht des Economic and Social Council der UN kannten. Die weitergehenden Machtgelüste der ITU haben offenbar einzelne Mitgliedsländer auf den Plan gerufen, denen das dann doch zu weit ging. Einzelne Mitgliedsstaaten hätten dazu Erklärungen verlangt, sagte ein ITU-Mitarbeiter gegenüber heise online.

Der Machtkampf zwischen ICANN und ITU geht vorerst wohl weiter, die nächste Runde ist im kommenden Jahr die so genannte Plenipotentiary Conference, das wichtigste Entscheidungsgremium der ITU. Bis dahin soll der beim ITU-Rat beschlossene Entwurf für die sechste Adressvergabestelle fertig sein.

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(jk)