"MediaAct": Die Wachhunde im Internet
Experten sehen Watchblogs als ein Beispiel dafĂĽr, wie Medienselbstkontrolle im 21. Jahrhundert funktionieren kann. Einige von ihnen haben sich in Dortmund getroffen, wo das Projekt "MediaAct" ĂĽber das Thema forscht.
Medien-Blogs als neue Wachhunde im Internet: Sie decken Lügengeschichten auf, machen schamlos abgekupferte PR-Berichte öffentlich und erzählen Geschichten, die der Leser sonst nie zu Ohren bekommt. "Watchblogs sind ein Beispiel dafür, wie Medienselbstkontrolle im 21. Jahrhundert funktionieren kann", sagte Journalistik-Professorin Susanne Fengler am Donnerstagabend in Dortmund. Welche Chancen innovative Instrumente der Medienselbstkontrolle haben, das erforscht Fengler mit einem internationalen Forschungsteam. Das Projekt heißt "MediaAct" (Media Accountability and Transparency in Europe) und wird von der Europäischen Union mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Zum Auftakt erörtern Vertreter aus 13 Ländern noch bis Sonntag im Erich Brost-Institut für Internationalen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund mögliche Fragestellungen.
Als besonders innovativ wertet Fengler neben den Bloggern auch "Cyber-Ombudsmänner", also Leseranwälte für das Internet. Eine Idee, die auch der stellvertretende ZDF-Chefredakteur, Elmar Theveßen, verlockend findet. Zum Auftakt diskutierte er unter anderem mit Mercedes Bunz, Medien- und Technik-Redakteurin bei der britischen Tageszeitung Guardian, und dem türkischen Ombudsmann Yavuz Baydar, inwiefern Kontrollmechanismen auch im Internet wirken können. Zum Thema "Wildwest im WWW" sagte Matthias Karmasin, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt: "Im Internet herrscht ein Urzustand."
Das "MediaAct"-Team will sich diesem Thema zunächst theoretisch annähern, um daraus Neues für die Praxis zu gewinnen. "Vielleicht steht am Ende ein Netzwerk von europäischen Medienbloggern", sagte Fengler. Traditionelle Instrumente der Medienselbstkontrolle – wie etwa der Deutsche Presserat – seien nicht mehr in der Lage, den ethischen Herausforderungen durch das Internet zu begegnen, sagt sie.
Beteiligt sind am Projekt "MediaAct" neben den Dortmunder Forschern zehn Partner aus ost- und westeuropäischen Ländern sowie Partner aus Tunesien und Jordanien. Vor dem Hintergrund der eigenen journalistischen Kultur wollen die Journalismus-Forscher herausfinden, welche etablierten und welche völlig neuen Formen der Medienselbstregulierung in den Ländern wirken. Ein Ziel des Projektes sei es, politische Empfehlungen für EU-Gesetzgeber im Bereich der Medien zu entwickeln, sagte Fengler. Darüber hinaus sollen Workshops und Online-Trainings für Medienblogger und Journalistik-Studenten entstehen. "Wir wollen Anreize für Medienmacher und Mediennutzer schaffen, sich stärker einzusetzen – für unabhängige und verantwortliche Medien." Das Brost-Haus solle Signalwirkung haben – in ganz Europa. (anw)