Meerumschlungene Piraten wollen neues Internetrecht
SPD und Grüne in Schleswig-Holstein sehen eine Initiative der Piratenpartei, das Internetrecht in Deutschland grundlegend zu überarbeiten, grundsätzlich als unterstützenswert an, wollen sich aber dazu noch beraten.
Die Piratenpartei-Fraktion im Landtag des meerumschlungenen Schleswig-Holsteins fordert, das Internetrecht in Deutschland grundlegend zu überarbeiten. Dabei müsse unter anderem die ausufernde Störerhaftung von Internetanbietern eingedämmt und das Fernmeldegeheimnis um ein Internet-Nutzungsgeheimnis ergänzt werden. Die Nordpiraten wollen außerdem das Recht auf anonyme und sichere Internetnutzung stärken; schließlich stelle Anonymität den besten Schutz vor Datendiebstahl und -missbrauch im Internet dar.
Die Piratenpartei hat dazu dem schleswig-holsteinischen Landtag den Entwurf (PDF-Datei) einer Bundesratsinitiative vorgelegt, die insgesamt zehn Eckpunkte enthält. Die Forderungen der Piraten werden grundsätzlich von SPD und FDP unterstützt, wie am heutigen Donnerstag im Landtag deutlich wurde; sie wollen Einzelheiten dazu in einem Ausschuss abklären.
Patrick Breyer, Vorsitzender der Piratenfraktion, erläuterte: "Das geltende Internetrecht verhindert das rechtssichere Angebot freier Internetzugänge (WLANs) und hat zu einer Lawine von Internet-Datenskandalen geführt. Entsprechend der Forderungen der Netzgemeinde, Datenschutzverbände und Bürgerrechtsorganisationen wollen wir in zehn Punkten eine Stärkung der Freiheit und der Privatsphäre im Internet erreichen."
Die Piraten wollen erreichen, dass die Landesregierung über den Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Freiheit und der Privatsphäre im Internet einbringt. Der CDU-Landtagsabgeordnete Axel Bernstein bezeichnete am Donnerstag im Landtag den Antrag als "vermutlich gut gemeint, aber nicht gut gemacht". Er regte ein "Netzgesetzbuch" an, das Datenschutz, Schutz der digitalen Persönlichkeit, Kinder- und Jugendschutz, Verbraucherschutz und Urheberrecht in der digitalen Welt zusammenfasst. Den Piraten warf er vor, nicht dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie Rechtsverstöße im Internet für ein zu vernachlässigendes Randphänomen halten. Zugleich setzte sich Bernstein für den Erhalt der Störerhaftung ein.
Kai Dolgner von der regierenden SPD befand, die Piraten-Initiative enthalte viele positive Ansätze. Es gebe aber noch Fragen zu den einzelnen Forderungen und deren Umsetzbarkeit; die könnten in Ausschussberatungen thematisiert werden. Das verlangen auch die mitregierenden Grünen, die den Antrag der Piraten "im Kern unterstützenswert" finden. "Immer mehr Menschen kommunizieren heute nicht mehr mit Briefen, sondern über das Internet", sagte Dolgner. Diese fragten sich, warum für diese Form der Kommunikation nicht die gleichen Regeln wie für die Post gelten sollen. Diese müsse nicht den Inhalt von Postsendungen kontrollieren und für Missbrauch geradestehen.
Zum Thema Störerhaftung sagte Lars Harms vom ebenfalls mitregierenden SSW, es sei "eine saubere Trennung zwischen dem fahrlässigen Tun – hier ein offenes WLAN – und dem kriminellen Handeln – zum Beispiel illegale Downloads – nötig". Das sei nicht nur eine juristische Frage, sondern auch eine technische Frage, die nicht der Gesetzgeber, sondern möglicherweise ganz andere lösen müssten.
Breite Zustimmung erfuhr offenbar im Landtag ein Antrag der FDP, die Landesregierung möge sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Bürger und Gewerbetreibende, die einen unentgeltlichen Internet-Zugang über WLAN anbieten, bei Urheberrechtsverletzungen zukünftig haftungsrechtlich mit kommerziellen Anbietern gleichgestellt werden. Der FDP-Abgeordnete Christopher Vogt erläuterte, viele Gaststätten, Bäckereien und Cafés hätten wegen des möglichen Haftungsrisikos ihre Funknetze für Kunden und Dritte geschlossen. Die vom Bundesgerichtshof geschaffene Rechtslage passe nicht zu einer "digitalen Gesellschaft".
Die zehn Eckpunkte lehnen sich an frühere Forderungen von Datenschützern, Bürgerrechtlern und Verbraucherschützern an. Diese hatten im März 2009 den Bundestag aufgefordert, gegen mangelnden Datenschutz gegenzusteuern. Seinerzeit hatten sich die Skandale gehäuft. Eine aktualisierte Fassung (PDF-Datei) wurde Anfang dieses Monats veröffentlicht. Die Piraten haben die darin enthaltenen sieben Forderungen erweitert beziehungsweise abgewandelt. Ihre zehn Eckpunkte betreffen:
- Verantwortlichkeit von Telekommunikationsanbietern
- Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet
- Begrenzung der "Störerhaftung" und Ausschluss privatpolizeilicher Überwachungspflichten
- Erweiterung des Fernmeldegeheimnis um ein "Telemedien-Nutzungsgeheimnis"
- Internet-Protokolladressen als Nutzungsdaten
- Internet-Nutzungsprofile verhindern
- Schutz vor Ausspionieren des Nutzers durch "Spyware", "Web-Bugs" und ähnlichem
- Transparenz von Speicherfristen
- Schutz von personenbezogenen Nutzerdaten bei Nutzung von Internet-Diensten
- Schutz vor unangemessenen Datenverarbeitungs-Einwilligungsklauseln
(anw)