Memory-Effekt bei Lithium-Ionen-Akkus
Wie Forscher des Paul Scherrer Instituts und von Toyota herausgefunden haben, sind Lithium-Ionen-Akkus doch nicht völlig frei von einen Memory-Effekt. Der Effekt ist jedoch minimal und tritt nur bei einem bestimmten Elektrodenmaterial auf.
Wissenschaftler des schweizerischen Paul Scherrer Instituts und der Forschungsabteilung des japanischen Autobauers Toyota berichten in der aktuellen Ausgabe von Nature Materials von einem Memory-Effekt bei Lithium-Ionen-Zellen: Die Forscher haben Akkus mit Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4) gezielt auf 30, 50 beziehungsweise 70 Prozent geladen und festgestellt, dass sich schon nach einem Lade-Entlade-Zyklus ein Memory-Effekt einstellt: Beim Wiederaufladen tritt eine minimale Spannungserhöhung beim vormals gewählten Ladestand auf.
Die Forscher erklären den Effekt durch die unterschiedliche Verteilung von geladenen und ungeladenen Partikeln in der Elektrode. Der Effekt lässt sich durch Warten bei entladenem Akku wieder neutralisieren. Soll der Akku jedoch sofort wieder aufgeladen werden, könnte die Ladeelektronik aus dem Tritt kommen. Lithium-Eisenphosphat hat nämlich eine besonders flache Ladekurve, über weite Teile der Kapazität wird also mit nahezu identischer Spannung geladen. Die Ladeelektronik interpretiert eine minimale Änderung der Spannung von der vorgegebenen Kennkurve deshalb möglichweiser als schon nahezu vollen Akku und bricht das Ladevorgang ab. Erfolgt der Abbruch wegen des Memory-Effekts zu früh, so ist nur ein Teil der maximal möglichen Energie gespeichert. Der Abbruch an sich ist nötig, damit die Ladespannung nicht zu hoch wird; sonst droht ein irreversibler Schaden an der Akkuzelle.
Künftig wird also noch mehr Intelligenz in Ladeelektroniken fließen müssen, denn Lithium-Eisenphosphat ist eigentlich ein Wunschkandidat für die Autoindustrie: Das Material verträgt hohe Lade- und Entladeströme, ist sowohl ge- als auch entladen chemisch ausgesprochen sicher und noch dazu vergleichsweise günstig. Allerdings tritt hier genau der beim Memory-Effekt ungünstige Nutzungsfall auf, dass der Akku durch Anfahren und Bremsen (Rekuperation) permanent zwischen mittleren Ladezuständen wechselt.
In Akkus für Notebooks, Tablets und Smartphones findet mal üblicherweise kein Eisenphosphat, sondern Lithium-Mischoxide mit variablen Anteilen an Nickel, Mangan und Kobalt (Li(NixCoyMnz)O2). Diese NMC-Materialien haben eine höhere Energiedichte als Eisenphosphat und sind bei begrenztem Gerätevolumen deshalb die erste Wahl – auch wenn sie teurer und potentiell unsicherer sind. Hier ist kein Memory-Effekt bekannt, auch werden die Akkus von niedrigen oder mittleren Ladezuständen üblicherweise immer wieder voll aufgeladen.
Am teuersten und gefährlichsten ist Lithium-Kobaltoxid (LiCoO2), dennoch kommt es etwa in den Akkus von Boeings problembehaftetem Langstreckenflieger 787 (Dreamliner) zum Einsatz. Brancheninsidern zufolge hatte Boeing aber keine andere Wahl: Zu Beginn der Entwicklung und damit auch des langwierigen Zertifizierungsprozesses bis zur Zulassung gab es schlicht kein anderes Aktivmaterial, das eine so hohe Energiedichte geliefert hätte. Andere Akkus, etwa aus Nickel-Metallhydrid, wären größer und schwerer gewesen, was die maximale Zuladung (Passagiere und Fracht) und damit die Wirtschaftlichkeit für die Fluglinien reduziert hätte. Die hohe an Bord benötigte Energiemenge, die ein Vielfaches von bisherigen Flugzeugen beträgt, ist wiederum der Designentscheidung geschuldet, besonders viele elektrische Systeme inklusive Fly-by-Wire-Steuerung einzusetzen. (mue)