Merkel löst neue Debatte über das Leistungsschutzrecht aus

Auch in der CDU gehe beim Gesetzesvorhaben zum Schutz von Presseverlegern im Internet ein "Riss durch die Mitglieder", konstatierte die Bundeskanzlerin. Kommentatoren meinen nun, die Initiative sei gestorben.

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Das Thema Leistungsschutzrecht ist nun offenbar auch im konservativen Lager zum heißen Eisen geworden. Auch in ihrer Partei gehe beim geplanten Schutzrecht für Verleger ein Riss durch die Mitglieder, konstatierte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der CDU-MediaNight am Dienstag in Berlin. Die Initiative sei zwar im Koalitionsvertrag angekündigt und "im Grundsatz" von Schwarz-Gelb bereits beschlossen worden, führte die Parteivorsitzende laut einer Aufzeichnung der Rede aus. "Aber wir erleben an diesen Punkten wie aufgeheizt die Diskussion stattfindet." Der CDU gehe es hier nicht anders als anderen Parteien, sodass das ganze Verfahren "nicht ganz einfach" sei.

Einige Kommentatoren leiten daraus ab, dass der Vorstoß gestorben ist. "Es wird kein Presseverlegerleistungsschutzrecht geben, wir wissen nur noch nicht genau, wie wir die Abkehr vom Koalitionsvertrag erklären", interpretiert etwa Matthias Schindler von der Wikimedia-Stiftung die Sätze der CDU-Chefin. Auch die Blogger von Netzpolitik.org gratulieren der Kanzlerin bereits dafür, dass sie die umstrittene Rechteausdehnung "vielleicht beerdigt" habe.

Davon könne keine Rede sein, hält Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dagegen. "Die CDU steht in dieser Frage geschlossen für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage", erklärte der Rechtspolitiker gegenüber heise online. Auch in der CSU kenne er "nur sehr vereinzelte Stimmen", die sich skeptisch geäußert hätten. "Selbstverständlich" werden das vereinbarte Leistungsschutzrecht umgesetzt, betonte der Christdemokrat. "Wir warten jetzt auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung." Im gleichen Tenor äußerte sich auf Anfrage auch die Parteizentrale der CDU: Aus den Äußerungen der Kanzlerin könne keine Abkehr vom Leistungsschutzrecht abgeleitet werden.

Als Vorredner der Kanzlerin bei der MediaNight hatte sich auch Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern geäußert. Es sei an der zuständigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), "Leitplanken" gegen "illegale Gratis-Angebote" im Netz zu ziehen und ihren Ankündigungen des "3. Korbs" der Urheberrechtsnovelle endlich Taten folgen zu lassen, unterstrich der CDU-Politiker. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, als würde sich der Staat gegenüber den Urhebern aus seiner Verantwortung stehlen.

Thomas Jarzombek (CDU), Mitglied des Unterausschusses Neue Medien des Bundestags, räumte gegenüber heise online ein, dass sich die Debatte zum Leistungsschutzrecht in der Union und in der Regierungskoalition tatsächlich schwierig und diffus gestalte. Dies habe die Kanzlerin korrekt geschildert. Viele in der CDU seien von dem Plan "mehr oder weniger begeistert". Eine Absage an das Vorhaben habe er aber nicht herausgehört.

Für den CDU-Politiker stellt sich zunächst die Definition eines neuen Leistungsschutzrechts. Er selbst habe ein Problem mit der Absichtserklärung im Koalitionsbeschluss, das Recht an eine Vergütungspflicht und die Ausschüttungen an die Verleger und Urheber an eine Verwertungsgesellschaft zu koppeln. Eine zweite GEZ sei nicht wünschenswert. Als "sehr interessant" bezeichnete Jarzombek dagegen den Vorschlag aus der FDP-Fraktion, ein "nacktes Leistungsschutzrecht" in Form eines reinen, mit Abmahnmöglichkeiten verknüpften Unterlassungsanspruchs für Verleger zu schaffen.

Manuel Höferlin, Initiator des Kompromissansatzes der Liberalen, erläuterte, dass in der FDP-Fraktion derzeit ein entsprechendes Papier erstellt werde. Die hitzige Diskussion beim Koalitionspartner hätten die liberalen Netzpolitiker wohl mit ihrem Nein zu einem weit angelegten Leistungsschutzrecht mit angestoßen. Merkel habe sich dazu aber nur "wachsweich" geäußert. Dass das federführende Bundesjustizministerium unabgesprochen mit der FDP-Fraktion einen eigenen Entwurf herausbringe, kann sich Höferlin derzeit nicht vorstellen. Dort warte man vermutlich auf einen Arbeitsauftrag aus dem Bundestag.

Ein Sprecher des Justizressorts wollte sich auf Anfrage von heise online nicht zum Stand der Dinge äußern. Ende April hatte ein Vertreter des Hauses noch angekündigt, dass man einen ersten Entwurf für den lange erwarteten 3. Korb "unverzüglich" vorlegen werde und sich dieser hauptsächlich auf das Leistungsschutzrecht konzentrieren werde. Dem Vernehmen nach bestehen dazu erste Skizzen, die aber noch weitgehend unter Verschluss gehalten werden.

Besonders umstritten bei den Planspielen ist, dass sich Verlegerverbände auch für einen Schutzanspruch auf Überschriften, Sätze, Satzteile ausgesprochen haben, soweit sie "einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe" in Verbindung mit dem Titel eines Presseerzeugnisse dienten. Dabei geht es um die Behandlung sogenannter Snippets bei Suchmaschinen oder Nachrichten-Aggregatoren wie Google News und die Frage, wie umfangreich solche Textauszüge sein dürfen. Ausgerüstet mit dem neuen Recht wollen die Verleger "gewerblichen Nutzern" Lizenzvereinbarungen anbieten – was in vielen Teilen der Wirtschaft Proteste ausgelöst hat. (axk)