Microsoft legt in der EU Kartellbeschwerde gegen Google ein
Der Softwarekonzern beklagt, Google verschaffe sich auf unlautere Weise in Europa Wettbewerbsvorteile. Die Verbraucher profitierten nicht davon, eine Suchalternative zu Google zu wählen, solange diese nicht auf allen Gebieten wettbewerbsfähig sei.
Der US-amerikanische Softwarekonzern Microsoft will der EU-Kommission eine formale Kartellbeschwerde gegen Google vorlegen. Das kündigte Microsoft-Justiziar Brad Smith in einem Firmenblogbeitrag an. Damit schaltet sich der Softwarekonzern offiziell in ein laufendes Verfahren gegen den Konkurrenten ein. Google-Anwalt Don Harrison, der im Oktober 2010 den Verdacht geäußert hatte, hinter den bis dahin bei der EU-Kommission eingegangenen Beschwerden stecke der Softwarekonzern, dürfte sich nun bestätigt fühlen.
Smith lobte Google für seine Innovationen, die das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren geleistet habe. Als "einziger existenzfähiger" Konkurrent in den USA und im größten Teil Europas respektiere Microsoft Googles Fähigkeiten, das Unternehmen habe viel dafür getan, die "Informationen der Welt zu organisieren". Microsoft sei aber über Googles Bestrebungen besorgt, andere davon abzuhalten, eine wettbewerbsfähige Alternative zu entwickeln.
Auf Computern sei es normalerweise nicht schwer, eine beliebige Suchmaschine auszuwählen. Es gebe aber noch diverse andere Bereiche, in denen Suchdienste miteinander konkurrieren, schrieb Smith. Neben der Erstellung eines Such-Indexes konkurrierten die Dienste um Werbetreibende und um die Suchboxen auf den Angeboten anderer Web-Unternehmen. Die Verbraucher profitierten nicht davon, eine Suchalternative zu Google zu wählen, solange diese nicht auf allen Gebieten wettbewerbsfähig sei.
Als Beispiel führte Smith die Folgen der Übernahme der Videoplattform YouTube durch Google im Jahr 2006 an. Seitdem habe Google dort eine zunehmende Zahl technischer Beschränkungen eingebaut, um Konkurrenten davon abzuhalten, mit der Plattform zu interoperieren; Google habe 2010 und auch aktuell dafür gesorgt, dass das mobile Betriebssystem Windows Phone – anders als Apples iOS – nicht mit YouTube harmoniert. Außerdem blockiere Google Inhalte von Büchern, die eigentlich anderen gehörten. Smith verweist auch auf das kürzlich ergangene Urteil, in dem Google im Rechtsstreit mit der Verlagsbranche eine Niederlage einstecken musste.
Als viertes Beispiel nannte Smith die Werbetreibenden, denen Google angeblich den Zugriff auf ihre eigenen Daten verwehre, die sie in großer Zahl in das AdServer-System einspeisten. Google verhindere vertraglich, dass andere Dienste wie Microsofts adCenter bequem auf diese Daten zugreifen können. Wegen Googles Dominanz – in Europa mit 95 Prozent Marktanteil, wie Smith schrieb – seien die Werbetreibenden aber auf den Internetdienstleister angewiesen. Es sei für sie zu teuer, ihre Werbekampagnen auf andere Plattformen zu transferieren.
Fünftens zwinge Google führende Websites in Europa dazu, konkurrierende Suchboxen fernzuhalten. Für die Nutzer sei es schwierig, eine Alternative zu finden, wenn sie fast überall die Google-Suchboxen sehen, meinte Smith. Europäische Telekommunikationsunternehmen hielten sich von Windows-Live-Diensten fern, weil diese entgegen der Google-Bestimmungen durch Suchboxen der Microsoft-Suchmaschine Bing finanziert würden.
Die EU-Kommission ĂĽberprĂĽft seit November 2010 Beschwerden von Konkurrenten; seitdem gingen weitere Beschwerden ein. Die WettbewerbshĂĽter untersuchen, ob das IT-Unternehmen Ergebnisse der Online-Suche manipuliert und Konkurrenten benachteiligt hat. Microsoft schlieĂźt sich diesen Beschwerden an. Smith schrieb, sein Unternehmen teile die Bedenken, dass Google andere Unternehmen diskriminiere, indem es die Preise fĂĽr ihre Anzeigen verteuere.
Microsoft selbst hat in den vergangenen Jahren einschlägige Erfahrungen mit den europäischen Wettbewerbshütern gesammelt. Gegen die Kooperation des Redmonder Konzerns mit Yahoo auf dem Suchmaschinenmarkt hatten sie nichts einzuwenden. Im Dezember 2009 legte die Kommission nach Entgegenkommen Microsofts einen Streit um den Internet Explorer bei. Frühere von Brüssel verhängte Strafgelder rund um die Dominanz des Betriebssystems Windows summieren sich hingegen auf 1,7 Milliarden Euro. (anw)