Mit Spielgeld zum Wahlergebnis

Mit einer höherer Genauigkeit und geringeren Kosten stechen Prognosebörsen die klassischen Meinungsumfragen aus, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

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Mit einer höherer Genauigkeit und geringeren Kosten stechen Prognosebörsen die klassischen Meinungsumfragen aus. Zur Bundestagswahl 2009 etwa brachte der Handel mit dem virtuellen Geld die genauste Vorhersage der Wahlergebnisse. Und auch Unternehmen haben das Potential der Wettspiele erkannt, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (Heft 11/2009, am Kiosk erhältlich oder portokostenfrei online zu bestellen).

Eine Woche vor der Bundestagswahl im September prophezeiten die großen Meinungsforschungsinstitute eine bequeme Mehrheit für die Christdemokraten. Alle Prognosen lagen bei 35 bis 37 Prozent. Nur ein paar Soziologen der Uni München hielten dagegen: Gerade einmal 33,75 Prozent der Stimmen werden CDU und CSU bekommen, so ihre Prognose. Eine Punktlandung, wie sich am Wahlsonntag zeigte – tatsächlich erreichte die Union 33,8 Prozent. Bei den anderen Parteien war die Vorhersage der Münchner zwar nicht ganz so treffsicher, aber mit einer mittleren Abweichung von 0,8 Prozentpunkten immer noch zuverlässiger, als die aufwendigen Umfragen von Allensbach, Emnid und Co.

Das Geheimnis dahinter: Die Ergebnisse kommen nicht über eine Umfrage, sondern über eine sogenannte Prognosebörse zustande. Statt die Teilnehmer einfach nach ihrer Meinung zu fragen, sollen sie – wie an einer Aktienbörse – über die Entwicklung bestimmter Kennzahlen spekulieren. Mit Spielgeld können sie Aktien der Parteien kaufen und verkaufen. Angebot und Nachfrage regeln den Kurs. Ziel eines jeden Anlegers ist es, sein Kapital durch geschickte Transaktionen zu mehren.

Mit solchen Prognosemärkten wird seit Ende der achtziger Jahre experimentiert – nicht nur bei Wahlergebnissen, sondern auch, um zuverlässige Schätzungen über die Entwicklungen von wirtschaftlichen Kennzahlen zu erhalten. Bei Siemens etwa wurde schon Mitte der Neunziger darauf gewettet, wie lange sich der Abschluss von IT-Projekten hinziehen würde. Bei Hewlett-Packard spekulierten Mitarbeiter auf die Anzahl von verkauften PCs. Trotz solcher Vorzeigeprojekte war es lange still um die Vorhersagebörsen. Doch nun kommt neuer Schwung in die Branche. Neben der höheren Vorhersagegenauigkeit, bieten sie noch weitere Vorteile: Sie bedeuten erheblich weniger Aufwand als klassische Instrumente der Meinungsforschung und sind robust gegen Manipulationsversuche.

Motorola etwa nutzt Prognosebörsen dazu Produktideen aus den eigenen Reihen bewerten zulassen. Die Teilnehmer müssen vorhersagen, wie die Kollegen eine neue Idee bewerten würden. Das System hat dazu beigetragen, dass das Ideen-Management im Unternehmen um 20 Prozent beschleunigt werden konnte: Heute dauert es nur noch siebzig Tage, bis über die Umsetzung eines Vorschlags aus den Reihen der Mitarbeiter entschieden wird. Ein Nebeneffekt machte das Projekt noch erfolgreicher: Da jede präsentierte Idee mit den Kontaktdaten ihres Urhebers verknüpft ist, ist die Börse zugleich eine große Kommunikationsplattform, über welche die Mitarbeiter gegenseitig Tipps und Anregungen austauschen. (wst)