Murdoch legt EU-Beschwerde gegen zentrale TV-Vermarktung im ProfifuĂźball ein

Ein juristischer Vorstoß des TV-Imperiums von Rupert Murdoch zielt darauf ab, die zentrale Vermarktung von Fußball-Fernsehrechten für europarechtswidrig erklären zu lassen. Auch die Bundesliga wäre davon betroffen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Ein juristischer Vorstoß des TV-Imperiums von Rupert Murdoch zielt darauf ab, die zentrale Vermarktung von Fußball-Fernsehrechten für europarechtswidrig erklären zu lassen. Obwohl ein italienisches Gesetz in der Schusslinie steht, hätte eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dieser Angelegenheit automatisch europaweite Auswirkungen. Sie wäre richtungsweisend für sämtliche nationalen Fußball-Ligen der EU-Mitgliedsstaaten, etwa die Bundesliga, deren Zentralvermarktung das Bundeskartellamt gegenwärtig prüft, und sogar für internationale Klub-Wettbewerbe wie die UEFA Champions League.

Im konkreten Fall hat der zur News Corporation gehörende Pay-TV-Sender Sky Italia förmliche Beschwerde bei der EU-Kommission wegen der geplanten Wiedereinführung einer zentralen Vermarktung von Fernsehrechten im italienischen Profifußball eingereicht. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde bestätige dies am heutigen Freitag gegenüber heise online. Das italienische Parlament hatte im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, wonach die TV-Vermarktung ab der Saison 2010/11 (abgesehen von noch bis 2012 geltenden Verträgen) nicht mehr in den Händen der einzelnen Vereine liegen soll. Vielmehr soll der Profifußballverband [Profi-Fußball Lega Calcio] die Rechte zentral vermarkten und die eingenommenen Gelder dann nach bestimmten Kriterien verteilen. Angestrebt ist sogar, dass der Ligaverband einen eigenen Pay-TV-Kanal betreibt.

Die italienische Politik wollte damit vor allem eine Umverteilung der Einnahmen zu Gunsten kleinerer Clubs erzielen. Da jeder Verein seine Rechte – anders als etwa in Deutschland, wo diese die DFL vermarktet – einzeln verkaufen kann, erzielen große Clubs wie etwa der AC Mailand, Inter Mailand oder Juventus Turin weitaus größere Einnahmen (jeweils hohe zweistellige Millionenbeträge) als kleine Clubs. Noch schwieriger ist die Situation für Zweitligisten: Für die gesamten Übertragungsrechte der zweiten italienischen Liga (Serie B) wollte kein TV-Sender in Italien die verlangten 18 Millionen Euro bezahlen. Kurzerhand verwehrten die Zweitligisten im November vergangenen Jahres den Kamerateams deshalb den Zugang zu den Stadien.

FĂĽr die Pay-TV-Rechte der Serie-A-Spiele zahlt Sky Italia in der laufenden Saison insgesamt 437 Millionen Euro. Ab 2010 sollen nach den Vorstellungen der Lega Calcio jedoch 900 Millionen Euro fĂĽr die TV-Rechte flieĂźen. Geplant ist, dass die Gelder dann nach drei Kriterien verteilt werden: 40 Prozent sollen zu gleichen Teilen an die Vereine gehen, 30 Prozent richten sich nach den sportlichen Leistungen der Vereine in der Vergangenheit (Tabellenplatzierungen), und die letzten 30 Prozent sollen aufgrund des Zuschauerpotenzials vergeben werden. Diese Kriterien kommen den groĂźen Vereinen weitaus mehr entgegen als diejenigen der Bundesliga, in welcher der Meister maximal etwa das Doppelte vom Tabellenletzten verdienen kann.

Einem Bericht der italienischen Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore zufolge bezieht Sky Italia in seiner Beschwerde die Position, dass Fußballvereine aufgrund der im europäischen Markt geltenden Wettbewerbsregeln nicht zum Verzicht auf Selbstvermarktung verpflichtet werden dürfen. Zwar wird in Deutschland und fast allen anderen EU-Mitgliedsstaaten die gemeinschaftliche Vermarktung der Fußball-TV-Rechte durch den jeweiligen (Liga-)Verband praktiziert. Das derzeit in Spanien und Italien bestehende System, dass jeder Verein seine Übertragungsrechte einzeln verkauft, ist jedoch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der eigentliche Normalfall, da die Vereine die ursprünglichen Eigentümer der betreffenden Rechte sind.

Sky Italia will erreichen, dass die EU-Kommission – notfalls mittels einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – den italienischen Staat dazu verpflichtet, seine "Lex Zentralvermarktung" zu kippen. Gemäß Artikel 10 des EG-Vertrags dürfen die EU-Mitgliedsstaaten keine Gesetze erlassen, die den Grundsätzen des Europarechts – in diesem Fall dem europäischen Wettbewerbsrecht – zuwiderlaufen. Den EU-Mitgliedsstaaten soll nicht erlaubt sein, auf legislativer Ebene das zu bewirken, was auch die im Markt agierenden Unternehmen unter dem Europarecht nicht tun beziehungsweise nicht durch ihre Marktmacht erzwingen dürften. Würde nun das Luxemburger EU-Gericht entscheiden, dass selbst der italienische Staat kein Recht hat, seine Fußballvereine zur Teilnahme an der Zentralvermarktung ihrer Übertragungsrechte zu verpflichten, hieße dies im Umkehrschluss, dass privatwirtschaftliche Ligenveranstalter wie die DFL dies erst recht nicht dürften. Die DFL macht nämlich die Teilnahme an der Zentralvermarktung zur Bedingung für die Lizenzerteilung in der Bundesliga, worin potenziell ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung besteht.

Eine Grundsatzentscheidung auf europäischer Ebene könnte durchaus im Interesse der News Corporation sein: In Deutschland ist diese am Pay-TV-Sender Premiere beteiligt, der zu den schärfsten Kritikern des neuen Fernsehvertrags der DFL mit dem Kirch-Unternehmen Sirius zählt. Murdochs britischer Ableger BSkyB ist der Hauptabnehmer der Übertragungsrechte der englischen Premier League. Sämtliche europäischen News-Corporation-Töchter könnten zudem ein Interesse haben, auch die Übertragung von Champions-League-Spielen in Zukunft direkt mit einzelnen Vereinen statt mit der UEFA auszuhandeln. Die potenzialstärksten Klubs wiederum könnten ihre Einnahmen aus nationalen wie internationalen Wettbewerben erheblich steigern. Zunächst ist aber die EU-Kommission am Zug, die ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einleiten könnte. (Florian Müller) /

Der Autor war frĂĽher gegen Softwarepatente aktiv und vertrat im Vorfeld des "WeiĂźbuch des Sports" der EU die Interessen von Real Madrid. Der spanische Topklub nimmt aus einem laufenden 7-Jahres-Vertrag mehr als 1,1 Milliarden Euro aus der Einzelvermarktung seiner Ăśbertragungsrechte an Ligaspielen ein. (pmz)