Musikbranche: Wessen Bier ist das?

Auf den Wiener Tagen der Musikforschung debattierten Experten über die Diagnose des Patienten Musikindustrie. Während die Branche neue Einnahmequellen erschließt, bleibt die große Frage, ob der Umsatz steigt oder sinkt - und ob das Bier eine Rolle spielt.

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Auf den Wiener Tagen der Musikwirtschaftsforschung debattierten Wissenschaftler und Branchenvertreter über den Status Quo der Musikindustrie und neue Perspektiven für die gebeutelte Branche. Dabei ging es auch um die Verlagerung weg vom klassischen Tonträgergeschäft hin zu Komplementärprodukten. Tatsächlich dürften die Einnahmen aus Konzerten und die durchschnittlichen Kartenpreise deutlich gestiegen sein. Auch Merchandising kann eine komplementäre Einnahmequelle sein. Zudem geben die Musikkonsumenten Geld für technische Geräte, wie etwa MP3-Player, aus. In vielen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich, verdient die Musikindustrie durch Urheberrechtsabgaben dabei mit.

Umstritten war das Gesamtergebnis, nämlich ob die mit Musik erzielten Umsätze steigen oder fallen. Uneins sind die Forscher auch darüber, ob etwa der bei Musikkonzerten mit dem Verkauf von Bier erzielte Umsatz berücksichtigt werden muss. Auch wurde argumentiert, dass zwar die großen Labels Umsätze eingebüßt hätten, gleichzeitig aber Künstler im Schnitt besser dastünden.

Das US-Unternehmen BigChampagne ist auf die Erhebung von Medienstatistiken spezialisiert. Sein CEO Eric Garland wies auf die psychologischen Unterschiede in der Branche dies- und jenseits des Atlantik hin. Während in Europa die Beunruhigung über P2P-Netze vorherrsche, sei man in Nordamerika vor allem über Angebote wie Hulu und YouTube besorgt. Die Musikindustrie glaube noch immer, dass die Menschen nichts kauften, was sie gratis bekommen könnten. Dabei seien aber gerade die in P2P-Netzen beliebtesten Musikstücke gleichzeitig in den Charts ganz oben.

Garlands Daten zu Folge werden im Monat etwa 1,1 Milliarden Lieder in P2P-Netzen ausgetauscht. Die Zahl der Filesharing-Nutzer wachse weiter – ob langsamer oder schneller als die gesamte Internetpopulation war nicht zu erfahren. Am Beispiel einer beliebten TV-Serie zeigten die Auswertungen eine sprunghafte Zunahme der Tauschbörsen-Nutzung, als das Angebot plötzlich vom legalen Streaming-Portal Hulu entfernt wurde. "Der gesamte Piratenmarkt ist besser organisiert und sozialer als jemals zuvor", meint Garland.

Nur von zwei Prozent aller in den USA erscheinenden Alben würden 5000 Stück oder mehr verkauft. iTunes habe in den USA 2009 rund 76 Millionen Alben verkauft, aber eine Milliarde Einzeldateien – die wesentlich weniger Gewinn bringen als ganze Alben. Doch auch der durchschnittliche "Pirat" lädt demnach nur 2,02 Lieder je Künstler herunter. "Fast niemand in der Industrie kann 5000 Alben verkaufen", resümierte Garland. "Es ist schwer, die Leute dazu zu bringen, ganze Alben herunterzuladen, sogar wenn es gratis ist."

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(vbr)