NSA-Überwachungsskandal: Neue Runde vor Kontrollgremium

Was wusste die Bundesregierung über die US-Spionageaktivitäten? So fragt die SPD - und wird selbst gefragt, was sie denn in ihrer Regierungszeit wusste. Erst einmal muss der jetzige Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla erneut Rede und Antwort stehen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Gegen die Abhörmaßnahmen durch den US-Geheimdienst NSA protestierten zuletzt tausende Bürger.

(Bild: dpa, Peter Steffen)

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sagt am heutigen Montag ab 10.00 Uhr zum dritten Mal vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste zum NSA-Überwachungsskandal aus. Als Koordinator der Nachrichtendienste ist er auch für die Zusammenarbeit deutscher Geheimdienste mit dem US-Dienst NSA zuständig; seinen letzten Auftritt zu dem Thema vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium erklärte er zum erfolgreichen Beruhigungsversuch. Auch die Chefs der drei deutschen Dienste werden vom Ausschuss gehört.

Die Opposition fordert weitere Aufklärung etwa zu der Frage, was die Bundesregierung wann über die Aktivitäten der NSA in Deutschland und über deren Kooperation mit deutschen Diensten wusste. Dabei soll es auch darum gehen, ob der Bundesnachrichtendienst (BND) mit der Weitergabe von Handynummern Terrorverdächtiger an die Amerikaner Beihilfe zu gezielten Tötungen durch US-Drohnen geleistet hat. Der BND bestreitet dies. Die SPD will zudem wissen, welche Ergebnisse die Bemühungen um Aufklärung bei der US-Regierung bisher gebracht haben.

In den vergangenen Tagen war auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in die Kritik geraten, weil er als damals Verantwortlicher im Kanzleramt 2002 über eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst BND und der NSA im bayerischen BND-Standort Bad Aibling entschieden hat. Steinmeier hat inzwischen seine Bereitschaft erklärt, ebenfalls vor dem Kontrollgremium auszusagen. Einen Termin gibt es aber noch nicht. [Update 12.08.2013 10:24: Angeblich will Steinmeier ebenfalls bereits am heutigen Montag vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium aussagen. Das zumindest hat Matthias Deiss, Korrespondent im Hauptstadtbüro der ARD, berichtet.] [Update 12.08.2013 10:42: Mittlerweile bestägigte der Sitzung der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann (SPD), dass Steinmeier direkt auf Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) antworten wolle.] [Update 12.08.2013 11:40: Das Parlamentarische Kontrollgremium hat mit den Stimmen der Koalition die Teilnahme von Frank-Walter Steinmeier abgelehnt.]

In der ARD wies Steinmeier die Kritik zurück. "Auf Basis dieser bloßen Behauptungen versucht die Bundesregierung, mich zu diffamieren", sagte er am Sonntagabend. Es gehe um massenhafte und lückenlose Ausspähung deutscher Bürger. Die technischen Möglichkeiten dazu seien 2002 nicht absehbar gewesen. "Allein der Verweis darauf, dass irgendeine Entscheidung 2002 das alles hätte vorbereiten können, ist doch abstrus."

Das Ausspähen weltweiter Kommunikationsdaten (SIGINT) durch den BND hat nach einem ARD-Bericht zur Vereitelung von 86 vorbereiteten oder zumindest geplanten Anschlägen auf die Bundeswehr in Afghanistan beigetragen. Dem Fernsehmagazin Kontraste zufolge konnte der BND 4 Anschläge allein und 15 zusammen mit anderen Diensten verhindern sowie in 67 Fällen Anschlagsplanungen im Frühstadium aufdecken. Auf der Grundlage der Vereinbarung von 2002 seien die durch SIGINT gewonnen Erkenntnisse auch an US-Stellen weitergeleitet worden.

Zur Weitergabe von Mobilfunknummern Terrorverdächtiger hatte der BND erklärt, diese basiere auf dem BND-Gesetz. Dabei sei die Weitergabe an die Bedingung geknüpft, dass auf Grundlage der Daten nicht gefoltert werde oder eine Verurteilung zum Tode erfolge. Die Daten würden nicht weitergegeben, wenn die "schutzwürdigen Interessen der/des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen", hieß es. "Diese Übermittlungspraxis gibt es im BND seit etwa 2003/2004." Die weitergereichten Mobilfunknummern seien für eine "zielgenaue Lokalisierung" ungeeignet.

Allerdings gibt es beispielsweise am Fraunhofer-Institut FKIE auch Forschungsarbeiten zur Genauigkeit der Ortung von Satellitentelefonen, die bei der Lokalisierung von Satelliten-Mobilfunktelefonen des arabischen Betreibers Thuraya eine Genauigkeit von 20 Zentimetern erreichen. Solche Telefone werden abseits der Abdeckung von GSM-Funknetzen gerade in Pakistan und anderen Gebieten eingesetzt. Mit den Handynummern aus GSM-Netzen lassen sich zudem auch Bewegungsprofile der Nutzer erstellen – die NSA kann das laut Spiegel innerhalb weniger Minuten. Der BND teilte dem Magazin mit: "Die Hilfe bei der Orientierung für militärische Operationen kann nicht ausgeschlossen werden."

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte im Handelsblatt von Steinmeier Aufklärung, ob er als damaliger Kanzleramtschef über die Weitergabe informiert war. Steinmeier erklärte dazu in der ARD: "Was an diesen Telefondaten weitergegeben worden ist, kann ich jetzt aus meiner Erinnerung so nicht sagen." Im sogenannten Bagdad-Untersuchungsausschuss des Bundestags sei aber die Frage, ob der BND Daten weitergegeben habe, die zu Tötungen führten, "ausdrücklich verneint" worden.

CSU-Chef Horst Seehofer warf im Bericht aus Berlin (ARD) der SPD und Steinmeier vor, in der Affäre an die Union andere Maßstäbe als an sich selbst anzulegen. Die Sozialdemokraten seien in 11 der letzten 15 Jahre in Regierungsverantwortung gewesen – "da muss ich sehr vorsichtig sein mit den Vorwürfen gegenüber der Union".

Siehe dazu auch die Analysen zur Zusammenarbeit zwischen Providern und NSA sowie zu den technischen Abhörmöglichkeiten in den Netzen in der c't:

  • Willfährige Helfer: Provider unterstützen die Geheimdienste beim Datenschnüffeln, c't 18/13
  • Globaler Abhörwahn: Wie digitale Kommunikation belauscht wird, c't 16/13
(mit Material von dpa)