Netzaktivist wegen Hyperlinks zu Geldstrafe verurteilt
Der Netzaktivist Alvar Freude hatte im Rahmen einer Satire und Dokumentation zu den Internet-Filterbestrebungen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Büssow auf rechtsextreme Propagandasites verlinkt.
Am heutigen Donnerstag Nachmittag hat Strafrichterin Mahringer den Netzaktivisten Alvar Freude wegen Volksverhetzung und Beihilfe zur Verbreitung von Nazi-Propaganda zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Die Richterin folgte dabei weitgehend den Ausführungen von Staatsanwalt Melionis. Freudes Anwalt Thomas Stadler kündigte Rechtsmittel an.
In ihrer mündlichen Urteilsbegründung erklärte Richterin Mahringer, Alvar Freude habe durch das Platzieren der Hyperlinks das "Zugänglichmachen" der rechtsextremen Propaganda zumindest billigend in Kauf genommen. Eine Berichterstattung auf Freudes Seite könne sie ebenso wenig sehen wie eine künstlerische Darstellung oder Satire. Mahringer: "Freudes Hartnäckigkeit, mit der er die Seiten weiterhin betreibt, ist als strafverschärfend zu bewerten."
Der Stuttgarter Kommunikationsdesigner Alvar Freude hatte im Dezember 2001 die satirische Website "TeleTrust" ins Web gestellt und später in "FreedomFone" umbenannt. Auf diesen Seiten machte sich Freude über die Internet-Filterbestrebungen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Büssow lustig. Freudes Angebot: "Nennen Sie uns eine Internetseite -- wir lesen Sie Ihnen vor." Das Angebot richtete sich an alle Nutzer aus Ländern, in denen sich nur noch eingeschränkt surfen lasse, wie beispielsweise "Nordrhein-Westfalen oder China".
Ebenfalls auf dieser Seite hatte sich ein Kasten mit Links auf die angeblich am häufigsten vorgelesenen Seiten der letzten 24 Stunden befunden. Diese vorgeblichen "Top7" wurden bei jedem Aufruf der Website neu generiert. "Es handelt es sich dabei um Seiten, die irgendwer nicht mag, unabhängig davon, ob berechtigt oder nicht. Also zum Beispiel um christliche Fundamentalisten mit Anti-Schwulen-Kampagnen oder Websites von Schwulenorganisationen, jüdische Organisationen, die CSU, Al-Jazeera und so weiter", erklärte Freude gegenüber heise online. Auch zwei rechtsradikale Websites, die von den Sperrverfügungen der Bezirksregierung betroffen sind, tauchen zufallsgesteuert in dieser Liste auf.
Dieser satirische Protest sorgte schließlich für die Strafanzeige gegen Alvar Freude wegen Volksverhetzung und "Zugänglichmachung" verfassungsfeindlichen Materials. Ein Schreiben der Bezirksregierung Düsseldorf an die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte den Vorgang vor gut einem Jahr initiiert. Neben der Satire-Seite landeten Ausdrucke der Website odem.org/zensur bei den Beweisstücken. Auf dieser Seite dokumentiert Freude gemeinsam mit Mitstreitern die Diskussion um Internet-Filter in NRW. Auch hier finden sich Links auf die fraglichen Websites, allerdings durch Kommentare ergänzt, die sich eindeutig vom Inhalt der Seiten distanzieren.
In seiner Stellungnahme erklärte Alvar Freude dem Gericht zunächst die Hintergründe seiner Aktion: "Die Diskussion bei den Sperrverfügungen läuft nicht entlang für oder gegen Nazis. Sie verläuft entlang der Frage, wie am besten die Gefahr des Rechtsextremismus begegnet werden kann und ob beziehungsweise welche Grundrechte wir dafür einschränken wollen." Der Wahlausgang der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen habe die Gefahr des Ignorierens von Rechtextremismus aufgezeigt. Ihm gehe es nicht um eine Ausweitung der Meinungsfreiheit auf rechtsradikale Gesinnungen, sondern vielmehr um Rezipientenfreiheit, um die uneingeschränkte Möglichkeit, sich aus allen Quellen zu informieren. Das Internet sei nie ein rechtsfreier Raum gewesen und solle es auch nicht werden.
Freude wies darauf hin, dass "TeleTrust" eindeutig ein satirisches Angebot sei. "Das kann niemand ernst nehmen." Seine Protestseiten unter odem.org seien "von der Mitte der Gesellschaft" mit getragen. Eine Online-Petition gegen die Filterbestrebungen des NRW-Regierungspräsidenten würde mittlerweile über 20.000 Unterschriften zählen. Alvar Freude wies das Gericht darauf hin, dass Hyperlinks zur Natur des Mediums gehören und dass eine zeitgeschichtliche Dokumentation ohne Verweise auf ihre Objekte undenkbar wäre. Hyperlinks seien die medienkonforme Form von Quellenangaben: "Ein Link an sich ist neutral, er wird erst durch den Kontext gewertet."
Anhand von Server-Logs kritisierte Freude danach die Ermittlungsarbeiten des Landeskriminalamts. Lediglich zwölf Minuten hätten die Beamten sich durch seine Seiten geklickt, als sie das Beweismaterial in Form von Ausdrucken zusammenstellten. Freude: "Dieses Vorgehen erschreckt mich sehr, nicht nur in Hinblick auf mich und dieses Verfahren, sondern allgemein." Alvar Freude erklärte, in diesem Prozess müssten zwei Fragen grundsätzlich geklärt werden: Verbreiten Hyperlinks fremde Inhalte oder sind sie eher eine Art neutraler Literaturhinweis? Und: Falls Links einer Verbreitung gleich kommen sollten, dürfen sie dann im Kontext eines Berichtes über das Zeitgeschehen oder in einer Satire stehen?
Freudes Anwalt Thomas Stadler beschwerte sich ĂĽber die Menge des seiner Meinung nach irrelevanten Beweismaterials: "Hunderte von fremden Seiten wurden hier ausgedruckt, mit denen mein Mandant ĂĽberhaupt nichts zu tun hat. Technisch ist es mir schleierhaft, wie man mit drei Links auf mehrere hundert Seiten verweisen kann." An die Staatsanwaltschaft gerichtet fragte er: "Was soll das in der Akte? Mit zwei, drei Klicks bin ich ĂĽberall im Netz."
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung teilte Freudes Anwalt Stadler mit, Rechtsmittel einzulegen. In einer Verhandlungspause hatte bereits Staatsanwalt Melionis durchsickern lassen, dass er im Falle eines Freispruchs ebenfalls die nächsthöhere Instanz anrufen wolle. Ob sich nun das Landgericht oder das Oberlandesgericht mit der Frage der Strafbarkeit von Links befassen muss, entscheidet sich in den nächsten Wochen. (Mario Sixtus) / (anw)