Neue BND-Befugnisse: Endstation Bundesverfassungsgericht

Datenschützer, Provider und Bürgerrechtler monieren, dass die vom Bundestag verabschiedete Novelle der Regeln für den BND verfassungsrechtlich mehr als bedenklich ist. Die FDP erwägt als erstes eine Beschwerde in Karlsruhe.

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Neue BND-Befugnisse: Endstation Bundesverfassungsgericht

Eine Protestaktion des Vereins Digitalcourage vor dem Reichstag.

(Bild: Stefanie Loos (CC BY SA 3.0))

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Inhaltsverzeichnis

Das vom Bundestag am Freitag beschlossene Gesetzespaket, das dem Bundesnachrichtendienst (BND) einen massiven Datenabgriff an Netzknoten erlaubt und die Aufsicht über den Auslandsgeheimdienst ausbauen soll, dürfte schon bald vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Hinweise renommierter Juristen, dass die Reform mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein dürfte, gab es vorab viele. Nun hat die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als erste den Gang nach Karlsruhe angekündigt. Die Liberale hält eine Verfassungsbeschwerde für "dringend geboten".

Die FDP berate momentan darüber, wie sie eine Klage vor dem höchsten Gericht am besten auf den Weg bringen könne, schreibt Leutheusser-Schnarrenberger im Handelsblatt. "Der deutsche Auslandsgeheimdienst, der tief im Sumpf der illegalen Überwachung mit den USA und Großbritannien steckt, erhält neue, ausgedehnte Befugnisse, die teilweise verfassungswidrig sind", konstatierte sie. Langjährig illegal praktizierte Überwachungen durch den BND würden nun legalisiert, die Novelle verstoße gegen Bürger- und Menschenrechte.

Auch der Grüne Hans-Christian Ströbele kündigte mittlerweile an, dass die Opposition wohl vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wolle. Das Gesetz öffne für eine unspezifische Massenüberwachung Tür und Tor. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff, die dem BND jüngst massive Rechtsbrüche bescheinigt hatte, beklagte, dass die Reform "die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Kontrollfunktion" der von ihr geleiteten Behörde ignoriere. Diese sei aber unerlässlich, da es "bei der heimlichen Überwachung es nur einen eingeschränkten Rechtsschutz für einzelne Bürger gibt".

Kritisch sieht Voßhoff auch die Bestimmungen zur Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Nachrichtendiensten wie der NSA. Hier seien Kontrollen nur dann zulässig, "wenn ein deutscher Dienst eine Datei einrichtet und Daten einstellt". Nutze der BND dagegen Informationen eines Partners, erfolge dies im kontrollfreien Raum. Die Datenschützerin forderte weiter, dass die Aufklärungsarbeit des Geheimdienstes auch im Ausland eine gesetzliche Grundlage benötige.

Der eco-Verband der Internetwirtschaft rügte, dass die Novelle dem BND eine "Ermächtigungsgrundlage zur unkontrollierten Massenerhebung von Daten" liefere. "Die im Nachhinein vorgesehene Kontrolle durch ein neues, unabhängiges Gremium geht vollständig ins Leere und betrifft nicht einmal den Umfang oder die konkreten Maßnahmen der Erfassung", konstatierte Klaus Landefeld, eco-Vorstand Infrastruktur und Netze. Dass die abhörbaren Leitungswege innerdeutsche Kommunikationsverkehre beinhalteten, "die unzweifelhaft unter das Fernmeldegeheimnis fallen", werde "sehenden Auges in Kauf genommen". Das eingesetzte Filtersystem sei nicht geeignet, den erforderlichen Grundrechtsschutz herzustellen.

Die Datenschutzvereinigung Digitalcourage und die Internationale Liga für Menschenrechte hatten vor der abschließenden Lesung des Vorhabens vor dem Reichstag mit der Aktion "Sei mutig – Gesicht zeigen gegen Geheimdienste" dafür demonstriert, den BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz abzuschaffen. 1200 kleine Figuren symbolisierten die Unterstützer dieses Appells.

Mit dem Gesetz werde genau die falsche Konsequenz aus den Snowden-Enthüllungen gezogen, erklärten die Aktivisten. Ausgerechnet "diese skandalträchtigen, unkontrollierbaren und demokratiewidrigen Geheimdienste" erhielten wieder Auftrieb. Tags zuvor hatten andere Bürgerrechts-, Anwalts- und Medienorganisationen bereits gemeinsam mit Whistleblowern und Piraten vor dem Brandenburger Tor gegen die Novelle protestiert.

Christian Schaller von der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erkannte an, dass das Gesetz erstmals "ein gewisses Maß an Rechtssicherheit" für die Überwachung elektronischer Kommunikation von Ausländern schaffe. Es werfe aber auch "weitere Fragen zur Reichweite des deutschen Grundrechtsschutzes auf". Außerdem zeichne sich ab, dass es "unter den Bedingungen moderner Datenübertragung zu praktischen Problemen bei der Umsetzung kommen wird". (axk)