Neustart für Teilchenbeschleuniger LHC
Am vergangenen Wochenende sind erstmals wieder Partikel in den weltweit größten Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) bei Genf eingespeist worden.
- Julia Ockenga
- Dr. Wolfgang Stieler
Wissenschaftler am Kernforschungszentrum CERN bei Genf haben am vergangenen Wochenende erstmals wieder einen Partikelstrahl in den weltweit größten Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) eingespeist. Die Anlage sollte eigentlich bereits im vergangenen Herbst in Betrieb genommen werden, musste aber nach einem Störfall im September 2008 abgeschaltet werden. In dem 27 Kilometer langen unterirdischen Ring sollen gegenläufig rotierende Partikelstrahlen mit einer Energie von bis zu Sieben Teraelektronenvolt aufeinandertreffen. Diese ungeheuren Kollisionsenergien könnten völlig neue Elementarteilchen erzeugen, die tausende Male schwerer sind als Protonen.
Bereits am Freitagnachmittag wurde nach Angaben des CERN ein erster Ionenstrahl in die Röhre eingegeben und erfolgreich durch den ALICE-Detektor bis zu Punkt 3 der Anlage geleitet. Am Freitagabend durchlief ein Protonenstrahl diesen Teil des Teilchenbeschleunigers ebenfalls erfolgreich. Bei einem weiteren Testlauf wurden am Samstagnachmittag Protonen durch die zweite Röhre geschickt. Der Strahl durchlief die Anlage bis Punkt 7 und passierte dabei den LHCb-Detektor. Nach Angaben der Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) zeigten die Test, dass die Anlage stabil läuft und damit gut auf den für November geplanten Neustart vorbereitet ist.
Bei einem Zwischenfall im September vergangenen Jahres hatte eine beschädigte elektrische Schaltverbindung zwischen zwei supraleitenden Magneten einen Defekt im Heliumkühlsystem verursacht. Als Folge trat etwa eine Tonne Helium in den unterirdischen Beschleunigerring aus, und die Anlage musste nach nur neun Tagen Betrieb wieder abgeschaltet werden. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden weitere defekte Schaltverbindungen entdeckt, die getauscht werden mussten.
In der vergangenen Wochen wurden alle supraleitenden elektrischen Hochstrom-Verbindungen getestet. Die Belastungstests ergaben, dass für den sicheren Betrieb der Anlage keine weiteren Reparaturen notwendig sind. Das CERN gab daraufhin Anfang August bekannt, dass der Betrieb im November wieder aufgenommen werden soll. Zunächst soll mit einer gedrosselten Energie von 3,5 TeV pro eingeleitetem Protonenstrahl gearbeitet werden, um weitere Erfahrungen mit dem LHC-System zu sammeln.
Der LHC ist der größte Teilchenbeschleuniger der Welt. Er soll dabei helfen, das so genannte Standard-Modell der Teilchenphysik, das den innersten Aufbau der Materie beschreibt, zu bestätigen beziehungsweise zu erweitern. Das Modell gilt zur Zeit noch als unvollständig, weil es von einem masseerzeugenden Mechanismus ausgeht, der in Versuchen noch nicht abgesichert werden konnte. Deshalb ist eines der Hauptziele des LHC, die Existenz dieses sogenannten Higgs-Feldes zu beweisen – oder aber einen alternativen Mechanismus aufzudecken. (wst)