"Nicht irgendein Internet": Brasilien fordert auf UN-IGF Konsequenzen aus der NSA-Affäre

Nach dem Bekanntwerden der massenhaften Netz-Überwachung lädt Brasiliens Regierung zu einem Gipfel, um ein neues Modell der Netzverwaltung zu entwickeln. Auf dem Internet Governance Forum der UN werden die Auswirkungen der NSA-Affäre heftig debattiert.

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Von
  • Monika Ermert

Brasiliens Kommunikationsminister Paolo Bernado Silva hat zum offiziellen Auftakt des 8. Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen einen Umbau des Managements wichtiger Internetressourcen gefordert. Brasilien habe sich seit Jahren für eine Demokratisierung und für mehr Transparenz bei der Verwaltung des Netzes eingesetzt. Das Bekanntwerden der massenhaften Überwachung von Bürgern, Unternehmen und Regierung habe Brasiliens Regierung veranlasst, für Anfang 2014 zu einem Internet Governance Gipfel einzuladen, bei dem ein neues Modell der Netzverwaltung entwickelt werden könne.

"Wir wollen nicht einfach irgendein Internet", sagte Bernado Silva in der Kampfansage zum Status Quo. Er kritisierte die "Jahrzehnte alte zentrale und unilaterale" Art der Verwaltung und Ansammlung von Daten. Die gerade in die Rootzone gehenden ersten neuen arabischen und chinesischen Top Level Domains müssen so nach wie vor von einer Behörde des US-Handelsministeriums abgesegnet werden. Die fehlende Balance zeige sich heute nicht nur im Bereich der technischen Aufsicht oder Standards, sondern auch mit Blick auf wirtschaftliche Effekte.

Wenn man auch in Zukunft ein Internet haben wolle, sei es an der Zeit, alle an den Tisch zu bringen. Bernado Silva begrüßte die jüngsten Erklärungen der privaten Netzverwalter der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, der IP-Adressvergabestellen und Standardisierungsorganisationen. In ihrer Montevideo-Erklärung sprechen diese sich für einen Internationalisierung der Netzaufsicht aus.

ICANN-Chef Fadi Chehadé untermauerte die Bereitschaft seiner Organisation zum Umbau. Die ICANN könne sehr wohl rechtsfähige Teilorganisationen außerhalb Kaliforniens aufbauen und werde dies auch tun. "Der Status Quo ist nicht nachhaltig", sagte Chehadé beim IGF. Auch die Präsidentin der Internet Society (ISOC) und der Vorsitzende der Internet Engineering Task Force (IETF) nannten das bekannt gewordene Maß an staatlicher Überwachung einen Weckruf und möglichen Wendepunkt für die eigene Arbeit.

US-Botschafter Danny Sepulveda, der schon in einem ersten Panel zur US-Massenausspähung der Internetnutzer gelöchert wurde, schlug sich wacker und begrüßte einen "offenen Dialog über die Weiterentwicklung" der Internet-Governance-Organisationen. Das Internet gehöre heute "?keinem Land mehr als einem anderen" und "keiner Interessengruppe mehr als einer anderen". Auch den Ruf nach Internationalisierung der ICANN begrüßte Sepulva und anerkannte die Notwendigkeit, mehr Länder, insbesondere Entwicklungsländer ins globale Netzmanagement mit einzubeziehen. Allerdings warnte der US-Amerikaner gleichzeitig vor Rufen nach einer zentralisierten Kontrolle übers Netz, die jetzt im Rahmen der Debatte um die Überwachungsprogramme wieder laut werde. Zur Ausspähaffäre selbst sagte Sepulva den versammelten Regierungsvertretern und Aktivisten: "Ich kann Ihnen versichern, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen."

Die Spähaffäre, die zum Auftakt auch UN-Vertreter Thomas Gass kritisch kommentierte, wird bis zum Ende der Woche noch in mehreren Plenarsitzungen des IGF debattiert. (jk)