#20JahreHO

Noch hässlicher war es schöner

Früher waren sie besser, sagt Don Alphonso in einem Gastbeitrag zu 20 Jahren heise online. Kommentaraufklappfunktionen wie ein rostiger Gabelstapler, das waren noch Zeiten.

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Noch hässlicher war es schöner
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Don Alphonso
#20JahreHO - Rückblicke und Ausblicke

heise online feiert Geburtstag und lässt kluge Köpfe in einer Artikelreihe nachdenken: Über das, was in 20 Jahren Technikentwicklung passiert ist - und über das, was in den nächsten Jahrzehnten kommen wird. Alle Artikel und Infos zu "20 Jahre heise online" versammelt die Themenseite zum Jubiläum:

Ich trauere immer noch dem alten, ganz alten, Prä;-2000 Heiselayout hinterher. Designelemente wie aus der Schrottpresse, Kommentaraufklappfunktionalität wie ein rostiger Gabelstapler in einem burmesischen Heroinlager, mikrobenkleine Schrift wie auf einem Beipackzettel eines rumänischen Medikaments, das in einem Versteck von Ceausescu vergessen wurde. Wenigstens ist die stilistische Fülle eines nackten Stahlrohres erhalten geblieben, gepaart mit üppigen Sprachspielformen, gegen die jeder Gesetzestext wie ein Liebesbrief des Rokoko erscheinen mag.

Heiseticker, das ist die Astronautennahrung unter den 5-Gänge-Menüs, abgepackt für dauerhafte Zwangsernährung derer, die es brauchen. "Was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist ein Luxus“, sagte die Tante Jolesch bei Torberg und Luxus, das weiss man bei mir im katholischen Bayern über den protestantischen Norden, gilt den dortigen Ketzern wirklich noch als Sünde.

Das ist die Oberfläche, rein und klar und an Menschen gerichtet, die strukturiert wie ein Rechner denken. Menschen, die zwischen 0 und 1 scheiden und die nichts aus der binären Ruhe bringt, solange das Internet vorhanden ist. Ein leerer Tisch der Emotionalität und der kühlen Ratio, und weiss der Teufel – der weiss es sicher – warum ich, wenn mir langweilig ist, hin und wieder in das Forum schreibe, was ich vom bedingungslosen Grundeinkommen und seinen Apologeten halte.

Ein Artikel von Don Alphonso

(Bild: 

DA

)

Don Alphonso ist Blogger, Buchautor und Journalist, der seit den frühen Dotcom-Jahren mit spitzer Feder Zeitgeschehen aufspießt. Für die FAZ betreibt er unter anderem das Blog "Stützen der Gesellschaft".

Oder über Luck Skeiwalkers Auftritte in Star Treg.

Oder über zu wenig Frauenförderung in MINT-Studiengängen und feministisches Programmieren.

Seitdem die Wirtschaftsrauferei sozial geächtet ist, kann kein Sonntag so verregnet sein, als dass man hier nicht noch seinen handfesten Spass haben könnte. Wenn wir also über ein Jubiläum einer Seite sprechen, müssen wir auch seine berühmten, berüchtigten “Heise-Trolle“ lobend erwähnen, die für sich in Anspruch nehmen dürfen, die ganze Bandbreite der sozialen Netzkommunikation in Deutschland schon geprägt zu haben, als AFD-Wähler und Feministinnen noch Sailormoon und My littly Pony für die höchste Stufe der erträumbaren Lebenswelten hielten.

Hier wurde die Grundlage gelegt, das eherne Fundament, für die direkte und schnörkellose Ansprache, die allen alten Formen deutscher Zurückhaltung entwachsen ist, und seit Jahr und Tag unter den Texten brodelt und OTs blubbernd verspritzt. Eine Wunderkammer voll mit verwachsenen Gnomen und verklemmten Muscheln, nichts für zarte Saiten auf güldenen Schalmeien, aber dennoch: Es lebt. Sehr sogar. Wie das Moos auf einem kargen Felsengebirge, unscheinbar, aber wehe, man isst davon: Dann wird es halluzinogen, und man wird süchtig.

Zeitreise: heise online im Lauf der Jahre (22 Bilder)

Spartanische Anfänge...
(Bild: heise online / Wayback Machine)

Und niemand muss diese Seite in der Arbeit verstecken, wenn der Chef kommt: Natürlich sind die gewaltpornographischen Aspekte des Forums nicht zu verachten, aber stets kann behauptet werden, die Information diente dem höheren Zweck. Hier wird gearbeitet, hier wird informiert, hier wird Wissen geschöpft aus den trüben Wassern des Internets, mit hoher Reinheit und weil das Thema doch etwas spröde ist, bleibt man auch verschont von Laberköpfen und Besserwissern – selbst wenn eine gelegentliche Auspeitschung in den Kommentaren wohl keinem Beteiligten ganz unpassend erscheinen würde. So ist das Netz, so ist das Leben, so ist der Ticker und manchmal sitzt man einfach am Ufer und sieht mit etwas Glück die Leiche eines Feindes vorbei treiben.

Und ist sich einig, dass es nicht gut gehen konnte, und man wusste das schon in jenen Zeiten, als das Layout noch mit dem Vorschlaghammer gezimmert wurde und der Akustikkoppler röchelte. Das waren noch Zeiten! Das ist auch ein wenig gelogen, denn wir hatten damals zwar nichts, aber immerhin schon ein 56k-Modem! So wird es nie mehr. Aber der Ticker bleibt. Das ist die Hauptsache.

[UPDATE, 7.05.2015, 11:30]

Es muss natürlich 56K-Modem heißen, nicht 54K. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung. (axk)