Ă–sterreich: Weiteres Gericht lehnt Urheberrechte-Abgabe auf Festplatten ab
Auf in Österreich verkaufte Festplatten muss keine Urheberrechtsabgabe entrichtet werden, hat ein Gericht entschieden, allerdings noch nicht in letzter Instanz. Abgaben für andere Datenträger können sich Privatpersonen in manchen Fällen zurückholen.
Eine am Donnerstag bekannt gewordene Gerichtsentscheidung bestätigt, dass auf in Österreich verkaufte Festplatten keine Urheberrechtsabgabe entrichtet werden muss. Das Oberlandesgericht Wien hat mit seinem Spruch die von sieben Verwertungsgesellschaften verlangte "Leerkassettenvergütung" auf Festplatten abgelehnt. Damit wurde dem Kläger Hewlett-Packard (HP) Recht gegeben und eine vorangegangene Entscheidung des Handelsgerichts Wien bestätigt. Eine Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) wurde aber zugelassen. Diesen Rechtsweg wollen die unterlegenen Verwertungsgesellschaften nun nehmen.
Die Leerkassettenvergütung soll den Rechteinhabern eine Abgeltung für legale Privatkopien bescheren. Sie wird traditionell auf Träger wie Tonbänder und CD-Rohlinge erhoben. Seit Oktober 2010 verlangen die Verwertungsgesellschaften diese Gebühr auch für Festplatten. Je nach Größe und Funktionsvielfalt wollen sie bis zu 43,74 Euro haben. Dies soll zur einen Hälfte den Mitgliedern dieser Gesellschaften zu Gute kommen, zur anderen Hälfte an soziale und kulturelle Einrichtungen fließen. HP führt gegen die Festplatten-Abgabe einen Musterprozess. Der nun in letzter Instanz zuständige OGH hat bereits in zwei früheren Verfahren 2005 und 2009 gegen eine Urheberrechtsabgabe auf Festplatten entschieden.
Oberstes Gericht fordert Rechtsklarheit von EU-Gerichtshof
In einem anderen Verfahren wendet sich der OGH gerade an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser wird ersucht, grundsätzliche Fragen zur österreichischen Regelung der Leerkassettenvergütung zu beantworten. Ausgangspunkt war die Klage einer Verwertungsgesellschaft gegen fünf Firmen des Amazon-Konzerns. Gefordert wird die Abführung der Leerkassettenvergütung für nach Österreich gelieferte CD- und DVD-Rohlinge, Speicherkarten und MP3-Player ab dem Jahr 2002. Für das erste Halbjahr 2004 werden rund 1,9 Millionen Euro verlangt, die Forderung für den übrigen Zeitraum ist aufgrund fehlender Daten noch unbeziffert.
Amazon ist der Ansicht, dass die österreichische Regelung mehrfach EU-Recht widerspricht: Nach der Padawan-Entscheidung des EuGH dürfe die Abgabe nur bei Händlern erhoben werden, nicht aber bei Vertriebspartnern und Logistik-Dienstleistern. Bisweilen wären die Urheberrechtsabgaben für das Trägermaterial schon in Deutschland entrichtet worden und dürften daher nicht noch einmal verlangt werden. Das österreichische Urheberrechtsgesetz differenziere nicht, wer das Material beziehe – laut EuGH dürften Unternehmer aber nicht belastet werden. Es gäbe zwar die Möglichkeit der Rückerstattung, das sei aber ein Aufwand und riskant. Außerdem greife das nicht, wenn das Trägermaterial zu urheberrechtlich irrelevanten Zwecken verwendet werde.
Zudem verstoße auch das Verwertungsgesellschaftengesetz gegen EU-Recht. Dieses sieht vor, dass die Hälfte der Abgaben an soziale und kulturelle Einrichtungen fällt und damit nicht an die Mitglieder der Verwertungsgesellschaften. Daher wäre die in der Klage geforderte Geldleistung gar nicht dazu geeignet, die Rechteinhaber zu entschädigen.
Die Klage führende Verwertungsgesellschaft sieht das anders. Die Art der Geldverteilung beeinflusse nicht den ursprünglichen Anspruch auf die Abgabe. Unerheblich sei auch, ob Urheberrechtsabgaben bereits in Deutschland entrichtet worden seien, zumal dort keine Verpflichtung dazu bestanden habe. Und die österreichischen Bestimmungen würden sich im EU-rechtlich zulässigen Spielraum bewegen. Die Klägerin weist außerdem den von Amazon erhobenen Vorwurf, ausländische Rechteinhaber bei der Geldverteilung zu benachteiligen, von sich.
Auf Ersuchen des OGH soll der EuGH nun das EU-Recht auslegen und feststellen, ob die österreichische Regelung einen "gerechten Ausgleich" im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG darstellt. Zudem wird gefragt, ob die Leerkassettenvergütung auch dann zu entrichten ist, wenn bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat eine angemessene Vergütung geleistet wurde.
Privatpersonen können sich Abgabe zurückholen
In seinen Ausführungen (4 Ob 79/11p) stellt der OGH noch einen anderen Punkt klar: Neben Unternehmen können auch Privatpersonen die bezahlte Leerkassettenvergütung von der Verwertungsgesellschaft austro mechana zurückverlangen. Dies gilt dann, wenn auf den Trägermedien selbst erzeugte Daten gespeichert wurden oder der Rechteinhaber seine Einwilligung zur Speicherung erteilt hat. Letzteres ist etwa bei der Speicherung freier Software der Fall, soweit die Lizenz das Kopieren gestattet. Das Antragsformular (PDF) der austro mechana ist insofern verwirrend, als es nur von "betrieblichen Zwecken" spricht.
Bei legalen Kopien im Bereich der nicht bewilligungspflichtigen freien Werknutzung ("Privatkopie") haben Privatpersonen keinen Anspruch auf RĂĽckerstattung. Genau diese Nutzungen sollen mit der LeerkassettenvergĂĽtung abgegolten werden. Bei illegalen Kopien sieht der OGH ebenfalls keinen Anlass auf RĂĽckzahlung der Abgabe. (jh)