Opern-Roboter bei der langen Nacht der Wissenschaften
Die Lange Nacht der Wissenschaften ist mehr als eine Leistungsschau zum Gucken und Staunen. Sie stellt auch Fragen an die Zukunft, etwa: Brauchen wir Grundrechte für Roboter?
Was braucht ein talentierter Opernstar? Eine gute Stimme, Haltung und Charisma? "Myon" könnte in dieser Hinsicht enttäuschen. Er ist 1,25 Meter groß, kann nicht singen und schafft es gerade einmal, sich auf zwei Beinen zu halten. Doch das ist für einen humanoiden Roboter gar nicht schlecht. Und es soll auch nur der Anfang sein. Wenn "Myon" bei der Langen Nacht der Wissenschaften am heutigen 10. Mai in Berlin herumläuft, ist das mehr als ein Spaß. Denn dieser Roboter, entwickelt von Informatikern der Humboldt-Universität (HU), soll einmal eigene Entscheidungen treffen – und nächstes Jahr an der Komischen Oper auftreten.
Science-Fiction oder ein Scherz? Nein, Manfred Hild und seinem Team aus Informatikern an der HU ist es mit "Myon" und der Oper sehr ernst. Als Gast soll ihr Roboter dort lernen, wie Theater funktioniert – und was es heißt, menschliche Gefühle zu empfinden, sie auszudrücken und auch bei anderen hervorzurufen. Wenn das klappt, wäre "Myon" weit mehr als eine programmierte Maschine.
Doch erst einmal ist "Myon" bei der Eröffnung der Langen Nacht der Wissenschaft dabei – um 16 Uhr geht es im Audimax der Humboldt-Universität los. Danach läuft er im Foyer herum. Schon jetzt hat der kleine Roboter einige Qualitäten, die HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz beeindrucken. Olbertz geht in die Hocke und stupst "Myon" sanft an. Wie ein Mensch versucht der Roboter, nach dem sanften Schubs im Gleichgewicht zu bleiben – und lehnt sich ein wenig nach vorn. Er hat nämlich schon gelernt, seinen Körper immer gegen die Erdanziehung auszurichten. Doch was passiert, wenn "Myon" immer weiterlernt und irgendwann eigene Entscheidungen trifft? "Dann müssen wir über Grundrechte für Roboter nachdenken", sagt der HU-Präsident. Auch das ist kein Scherz.
"Myon" hat eine Kamera als Auge und Mikrofone als Ohren, über einen Lautsprecher kann er kommunizieren. Er hat drei Plastikfinger und einen Daumen an jeder Hand. Anders als bei anderen Robotern können Arme und Beine einfach abgenommen werden – sie sind autonom. Damit lässt sich die Maschine bei einem einzelnen Defekt auch nicht so schnell lahmlegen.
"Im Moment ist 'Myon' ungefähr auf dem Stand eines Einjährigen", erläutert Informatiker Hild. Und wie ein Kleinkind soll er über die Erfahrungen mit seiner Umwelt lernen – durch Sehen, Hören, Anfassen und Greifen. Durch Erfolg oder Scheitern soll er sich nach und nach Fähigkeiten aneignen. Eine Frage könnte dann lauten: Was ist gut, was ist schlecht für mein Energiesystem? Wenn ein Roboter Bedürfnisse bekommt, ist das nicht nur eine Frage der Haftung. "Wir werden ethische Diskussionen bekommen", mutmaßt Olbertz.
Zumindest der Traum vom intelligenten Pflegeroboter rückt dann wohl in die Ferne. "Intelligenz bedeutet immer autonome Entscheidungsgewalt", sagt Hild. Ein "dummes System" aber sei keine wirkliche Hilfe. "Wir verlangen von einem Baby ja auch nicht, dass es das Geschirr abspült", ergänzt er. Mit einem intelligenten Pflegeroboter müsste es also zwangsläufig Verhandlungen geben – vielleicht in der Art: Du wäschst mich, und ich lade dich auf. Menschliche Hilfe hält Hild deshalb auch in der Zukunft für sinnvoller.
Doch er gibt zu, dass "Myons" geplanter Opernauftritt in dem Stück "My Square Lady" 2015 ein Wagnis ist. Technisch sei das Unterfangen ähnlich sportlich wie zum Mond zu fliegen, sagt der Entwickler. Und lernt der Roboter weiter wie bisher, wäre er dann auf dem Stand eines Zwei- bis Dreijährigen – also mitten in der Trotzphase.
Auch im Wolfsburger Science Center Phaeno werden vom 16. bis 18. Mai zahlreiche Roboter-Modelle vom Spielzeugroboter bis zur Haushaltshilfe zu sehen sein. c't Hacks wird mit einem Stand dabei sein.
(pen)